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(Frage) beantwortet | Datum: | 22:50 Di 07.12.2004 | Autor: | Bastiane |
Hallo!
Arbeite mal wieder ne Ana-Vorlesung durch...
Wir haben die Faltung folgendermaßen definiert:
[mm] (f*g)(x):=\integral_{\IR^n}{f(y)g(x-y)d\mu_n(y)}
[/mm]
(hier direkt mal zwei Fragen: gibt es für den Computer ein anderes Symbol als "*" für das Faltungszeichen? Oder ist es absichtlich so gewählt, weil es eine Multiplikation zwischen zwei Funktionen ausdrückt? Und als zweites: Im Königsberger finde ich die Definition so: [mm] (f*g)(x):=\integral_{\IR^n}{f(x-y)g(y)d\mu_n(y)}, [/mm] ich nehme an, das ist wegen der Kommutativität des Integrals das Gleiche?)
Also, jedenfalls haben wir jetzt die Behauptung, dass (f*g)(x) für [mm] \mu-fast [/mm] alle x existiert, und den Beweis davon verstehe ich nicht so ganz:
[mm] \integral{\integral{|f(y)g(x-y)|d\mu_n(y)}d\mu_n(x)}
[/mm]
[mm] =\integral{|f(y)|*[\integral{|g(x-y)|d\mu_n(x)}]d\mu_n(y)} [/mm] (nach Fubini)
hier schon mal eine Frage:
Fubini besagt doch, dass man die Integrale vertauschen kann. Wenn ich das hier mache, dann integriere ich zuerst nach x, wobei da dann das |f(y)| ja nicht von x abhängt, kann man es deswegen vor das Integral ziehen? Das wundert mich nur ein bisschen, weil da ja ein Produkt unter dem Integral steht. Oder warum gilt die obige Gleichung?
Dann haben wir weiter geschrieben:
= [mm] \integral{|f(y)|[\integral{|g(x)|d\mu_n(x)}]d\mu_n(y)} [/mm] (hierbei haben wir x durch x+y ersetzt)
Was hat das mit [mm] x\to [/mm] x+y auf sich? Ist das so etwas wie Substitution? Aber warum? Dann steht danach doch im Prinzip immer noch das Gleiche da, nur anders hingeschrieben. Und warum muss man das [mm] d\mu_n(x) [/mm] nicht durch [mm] d\mu_n(x+y) [/mm] ersetzen???
Mmh, und dann habe ich noch da stehen:
[mm] =||g||_1 ||f||_1 <\infty
[/mm]
[mm] \Rightarrow [/mm] Für [mm] \mu-fast [/mm] alle x ist [mm] \integral{|f(y)g(x-y)|d\mu_n(y)} [/mm] < [mm] \infty
[/mm]
[mm] \Rightarrow [/mm] für diese x ist (f*g)(x) definiert
Viele Grüße
Bastiane
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(Antwort) fertig | Datum: | 10:34 Mi 08.12.2004 | Autor: | Stefan |
Liebe Christiane!
Schöner Beweis, ich durfte ihn vor ziemlich genau acht Jahren in meinem Analysis-Vordiplom bei Prof. Lieb komplett vorrechnen (zu dem Zeitpunkt stand die Note aber, glaube ich, längst fest; spätestens aber danach ).
Also, wir wollen zeigen, dass die Funktion
$x [mm] \mapsto \int\limits_{\IR^n} f(y)g(x-y)\, d\mu_n(y)$
[/mm]
für [mm] $\mu_n$-fast [/mm] alle $x [mm] \in \IR^n$ [/mm] existiert.
So etwas ist eine klassische Anwendung des Satzes von Fubini (Kapitel 18, gezippt). Nach diesem Satz genügt es zu zeigen, dass
$(x,y) [mm] \mapsto [/mm] f(y)g(x-y)$
[mm] $(\mu_n \otimes \mu_n)$-integrierbar [/mm] ist, also:
[mm] $\int\limits_{\IR^n} \int\limits_{\IR^n} [/mm] |f(y) [mm] g(x-y)|\, d\mu_n(y)\, d\mu_n(x) [/mm] < [mm] \infty$.
[/mm]
Machen wir das jetzt also. Auf dem Weg dorthin beantworte ich dir noch all deine Fragen.
> Arbeite mal wieder ne Ana-Vorlesung durch...
> Wir haben die Faltung folgendermaßen definiert:
> [mm](f*g)(x):=\integral_{\IR^n}{f(y)g(x-y)d\mu_n(y)}
[/mm]
> (hier direkt mal zwei Fragen: gibt es für den Computer ein
> anderes Symbol als "*" für das Faltungszeichen?
Nein, das ist das Faltungszeichen. Wenn du es hier im Forum darstellen willst, musst du allerdings schreiben: [mm]f\*g[/mm], sonst wandelt das Programm das "*" automatisch in ein [mm] "$\cdot$" [/mm] um.
> Oder ist es
> absichtlich so gewählt, weil es eine Multiplikation
> zwischen zwei Funktionen ausdrückt?
Ja, daher kommt die Motivation. Man kann damit nämlich [mm] $L^1(\mu_n)$ [/mm] zu einer Algebra machen. (Die ursprüngliche Frage von Prof. Lieb lautete übrigens: Wie kann man [mm] $L^1(\mu_n)$ [/mm] zu einer Algebra machen? Dann erwähnte ich das Faltungsprodukt und musste die Existenz beweisen, was wir gerade machen.)
> Und als zweites: Im
> Königsberger finde ich die Definition so:
> [mm](f*g)(x):=\integral_{\IR^n}{f(x-y)g(y)d\mu_n(y)},[/mm] ich nehme
> an, das ist wegen der Kommutativität des Integrals das
> Gleiche?)
Das hat mit der Kommutativität des Integrals rein gar nichts zu tun (mit diesem Argument folgt nur die Kommutativität der Faltung).
Nein, es hat was mit der Transformationsregel für Lebesgue-Integrale zu tun. Ich denke mal du kennst den Transformationssatz. Du findest ihn z.B. in diesem Skript (Satz 71.7).
Wir haben hier ja zwei Abbildungen, aus denen sich die Transformation zusammensetzt. Eine Spiegelung ($y [mm] \mapsto [/mm] -y$) und eine Translation ($-y [mm] \mapsto [/mm] -y + x$). Wenn du von beiden Abbildungen die Jacobi-Matrix bildest, siehst du, dass einmal die Diagonalmatrix mit lauter $-1$en und einmal die Einheitsmatrix entsteht. In beiden Fällen ist der Betrag der Determinante der Jacobi-Matrix gleich $1$. Daher folgt die Gleichheit direkt aus der Transformationsformel. Man sagt: Das Lebesgue-Integral ist spiegel- und translationsinvariant.
> [mm]\integral{\integral{|f(y)g(x-y)|d\mu_n(y)}d\mu_n(x)}
[/mm]
> [mm]=\integral{|f(y)|*[\integral{|g(x-y)|d\mu_n(x)}]d\mu_n(y)}[/mm]
> (nach Fubini)
Hier wird also wiederum Fubini benutzt, aber ein anderer Teil der Aussage als die, die wir vorher benötigt haben, nämlich hier einfach die Vertauschung der Integrationsreihenfolge.
> hier schon mal eine Frage:
> Fubini besagt doch, dass man die Integrale vertauschen
> kann.
> Wenn ich das hier mache, dann integriere ich zuerst
> nach x, wobei da dann das |f(y)| ja nicht von x abhängt,
> kann man es deswegen vor das Integral ziehen?
> Das wundert
> mich nur ein bisschen, weil da ja ein Produkt unter dem
> Integral steht. Oder warum gilt die obige Gleichung?
Warum wundert dich das? Das [mm] $d\mu_n(x)$ [/mm] ist nur auf die $x$e scharf. Alles, was kein $x$ enthält, ist unattraktiv für das [mm] $d\mu_n(x)$ [/mm] und wird als Konstante abgetan. Und wenn dann ein $f(y)$ ankommt und sich als Funktion tarnt, dann merkt das [mm] $d\mu_n(x)$ [/mm] sofort: Da stimmt was nicht, es ist ja gar keine Funktion von $x$, sondern (für mich!) eine Konstante. Und konstante Faktoren gehören vor das Integral *hinauskatapultier*. Soll sich doch das blöde [mm] $d\mu_n(y)$ [/mm] mit dem $f(y)$ rumschlagen, ich bleibe bei meinen geliebten $f(x)$, da weiß ich wenigstens, was ich an ihnen habe.
Wie du siehst, kann ich fast so spaßig schreiben wie Paul. Nur wenn man 10 Antworten am Tag schreibt, um möglichst vielen zu helfen, kann man das nicht jedes Mal durchziehen.
> Dann haben wir weiter geschrieben:
> = [mm]\integral{|f(y)|[\integral{|g(x)|d\mu_n(x)}]d\mu_n(y)}[/mm]
> (hierbei haben wir x durch x+y ersetzt)
> Was hat das mit [mm]x\to[/mm] x+y auf sich? Ist das so etwas wie
> Substitution? Aber warum?
Es ist wieder die Translationsinvarianz des Lebesgue-Integrals. Um wieder mal anschaulich zu werden (sonst bekomme ich wieder Vorwürfe, ich wäre nicht studentennah genug ): Nehmen wir mal eine Funktion $f(x)$, die du über den ganzen [mm] $\IR^n$ [/mm] integrierst. Wenn du jetzt ein beliebiges $y$ dahernimmst, egal welches, und die Funktion $f(x+y)$ betrachtest und wiederum alle möglichen $x$ einsetzt, dann setzt du doch insgesamt auch wieder alles ein, oder? Um das gleiche zu bekommen, wo du vorher ein $x$ eingesetzt hast, musst du jetzt eben ein $x-y$ einsetzen, denn $(x-y)+y=x$. Also integrieren wir schon mal über die gleiche Menge, nämlich den [mm] $\IR^n$. [/mm] Und das Integral als solches ist natürlich das Gleiche wie vorher, denn die Mengen werden nur verschoben, und wenn man den [mm] $\IR^n$ [/mm] verschiebt, bleibt es eben der [mm] $\IR^n$, [/mm] und er wird (das ist wichtig!) nicht verzerrt (wie z.B. bei blöden Funktionen, die nicht nur spiegeln, drehen oder verschieben, die versauen alles, da kommt dann halt noch die Determinante der Jacobi-Matrix mit rein, um die Verzerrung auszugleichen).
> Mmh, und dann habe ich noch da stehen:
> [mm]=||g||_1 ||f||_1 <\infty
[/mm]
, denn
[mm]\integral{|f(y)|\left[\integral{|g(x)|d\mu_n(x)}\right]d\mu_n(y)}[/mm]
[mm]= \integral{ |g(x)|} d\mu_n(x) \cdot \integral{|f(y)|} d\mu_n(y)[/mm]
(denk dran: [mm] $\integral{|g(x)|d\mu_n(x)}$ [/mm] hängt nicht von $y$ ab und ist damit für [mm] $d\mu_n(y)$ [/mm] wieder eine Konstante *vordasintegralkatapultier*).
[mm]= \Vert g \Vert_1 \cdot \Vert f \Vert_1[/mm]
und dieser Ausdruck ist endlich, da $f$ und $g$ als integrierbar vorausgesetzt wurden.
Damit ist der Beweis erledigt.
Ist alles klar?
Liebe Grüße
Stefan
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 12:36 Mi 08.12.2004 | Autor: | Bastiane |
Hallo Stefan!
Danke für die Antwort.
Zuerst dachte ich: oh Gott - so eine lange Antwort, dabei waren das bei uns doch nur ein paar Zeilen. Aber ich glaube, ich habe jetzt alles verstanden - so viel war es ja doch gar nicht.
> So etwas ist eine klassische Anwendung des Satzes von Fubini
Mmh, der Link funktioniert irgendwie nicht...
> Nein, das ist das Faltungszeichen. Wenn du es hier im Forum
> darstellen willst, musst du allerdings schreiben:
> [mm]f\*g[/mm], sonst wandelt das Programm das "*"
> automatisch in ein "[mm]\cdot[/mm]" um.
Ja, gut. Zuerst hatte ich da noch ein Leerzeichen dazwischen, da wurde dann auch * angezeigt, aber als ich das Leerzeichen dann weggemacht habe, hatte ich gar nicht gemerkt, dass da dann nur noch der Punkt stand...
> > Und als zweites: Im
> > Königsberger finde ich die Definition so:
> > [mm](f*g)(x):=\integral_{\IR^n}{f(x-y)g(y)d\mu_n(y)},[/mm] ich
> nehme
> > an, das ist wegen der Kommutativität des Integrals das
>
> > Gleiche?)
>
> Das hat mit der Kommutativität des Integrals rein gar
> nichts zu tun (mit diesem Argument folgt nur die
> Kommutativität der Faltung).
Ich meinte auch eigentlich die Kommutativität der Faltung. Aber das scheint ja genau anders herum zu sein...
> Nein, es hat was mit der Transformationsregel für
> Lebesgue-Integrale zu tun. Ich denke mal du kennst den
> Transformationssatz. Du findest ihn z.B.
> in diesem Skript
> (Satz 71.7).
Ja, den Transformationssatz kenne ich, und das Skript habe ich mir auch direkt gespeichert.
> > Das wundert
> > mich nur ein bisschen, weil da ja ein Produkt unter dem
>
> > Integral steht. Oder warum gilt die obige Gleichung?
>
> Warum wundert dich das? Das [mm]d\mu_n(x)[/mm] ist nur auf die [mm]x[/mm]e
> scharf. Alles, was kein [mm]x[/mm] enthält, ist unattraktiv für das
> [mm]d\mu_n(x)[/mm] und wird als Konstante abgetan. Und wenn dann ein
> [mm]f(y)[/mm] ankommt und sich als Funktion tarnt, dann merkt das
> [mm]d\mu_n(x)[/mm] sofort: Da stimmt was nicht, es ist ja gar keine
> Funktion von [mm]x[/mm], sondern (für mich!) eine Konstante. Und
> konstante Faktoren gehören vor das Integral
> *hinauskatapultier*. Soll sich doch das blöde [mm]d\mu_n(y)[/mm] mit
> dem [mm]f(y)[/mm] rumschlagen, ich bleibe bei meinen geliebten [mm]f(x)[/mm],
> da weiß ich wenigstens, was ich an ihnen habe.
Ja, die Erklärung war wirklich schön! Ich weiß auch nicht, was ich da für ein Problem mit hatte. Ich glaube, ich habe einfach nicht beachtet, dass die Funktionen ja von unterschiedlichen Sachen abhängen. Ich dachte irgendwie mal wieder an partielle Integration...
> > Mmh, und dann habe ich noch da stehen:
> > [mm]=||g||_1 ||f||_1 <\infty
[/mm]
>
> , denn
>
>
> [mm]\integral{|f(y)|\left[\integral{|g(x)|d\mu_n(x)}\right]d\mu_n(y)}[/mm]
>
>
> [mm]= \integral{ |g(x)|} d\mu_n(x) \cdot \integral{|f(y)|} d\mu_n(y)[/mm]
>
>
> (denk dran: [mm]\integral{|g(x)|d\mu_n(x)}[/mm] hängt nicht von [mm]y[/mm] ab
> und ist damit für [mm]d\mu_n(y)[/mm] wieder eine Konstante
> *vordasintegralkatapultier*).
Das ist natürlich eigentlich auch klar, aber da wäre ich jetzt von selber auch erstmal nicht draufgekommen...
> [mm]= \Vert g \Vert_1 \cdot \Vert f \Vert_1[/mm]
>
> und dieser Ausdruck ist endlich, da [mm]f[/mm] und [mm]g[/mm] als
> integrierbar vorausgesetzt wurden.
>
> Damit ist der Beweis erledigt.
>
> Ist alles klar?
Ja, ich denke schon. Und ich habe viel dabei gelernt - danke.
Viele Grüße
Christiane
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