Homöomorphie von S1 und RP1 < Topologie+Geometrie < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 17:39 Mi 31.10.2012 | Autor: | huzein |
Aufgabe | Zeigen Sie, dass die folgenden topologischen Räume homöomorph zueinander sind:
1) [mm] $S^2$ [/mm] und [mm] $\mathbb C\mathbb P^1$
[/mm]
2) [mm] $S^1$ [/mm] und [mm] $\mathbb R\mathbb P^1$ [/mm] |
habe obige Aufgabe zu lösen. Ich weiß was ein Homöomorphismus ist, nur fällt mir einfach nicht ein wie ich eine Abbildung logisch kontruieren kann, die eben die eine Menge homöomorph zu der anderen Menge abbildet.
Gibt es da einen Weg, wie man solche Abbildungen konstruieren kann?
LG
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Es ist die Frage, wie du die Räume konkret realisierst.
1.
Ich fasse einmal [mm]S^1[/mm] als die Menge alle [mm]p \in \mathbb{R}^2[/mm] mit [mm]|p|=1[/mm] auf (die Striche mögen die euklidische Norm bezeichnen).
2.
Und für [mm]\mathbb{RP}^1[/mm] betrachte ich zwei Punke [mm]p,p' \in \mathbb{R}^2 \setminus \{ 0 \}[/mm] als äquivalent, wenn sie als Vektoren betrachtet linear abhängig sind:
[mm]p \sim p' \ \ \Leftrightarrow \ \ p,p' \ \ \mbox{linear abhängig}[/mm]
Die Elemente von [mm]\mathbb{RP}^1[/mm] sind gerade die Äquivalenzklassen
[mm][p] = \left\{ \, p' \, \left| \, p' \sim p \, \right. \right\}[/mm]
Man kann [mm][p][/mm] anschaulich als Ursprungsgerade durch [mm]p[/mm] auffassen.
Jetzt stellen wir uns Folgendes vor: Wir nehmen einen Punkt [mm]p[/mm] der Kreislinie [mm]S^1[/mm] und zeichnen die Ursprungsgerade durch diesen Punkt. Dann ist die Zuordnung [mm]p \mapsto [p][/mm] fast schon das, was wir suchen.
Wenn wir nämlich [mm]p[/mm], rechts bei [mm](1,0)[/mm] beginnend, gegen den Uhrzeigersinn den Kreis durchlaufen lassen, drehen sich auch die Geraden [mm][p][/mm] entsprechend mit. Jetzt gibt es nur noch ein Problem: Schon nach einer halben Drehung war jede Gerade einmal dran. Für die zweite Kreishälfte kommt jede Gerade genau noch einmal vor. Daher ist die Abbildung [mm]p \mapsto [p][/mm] nicht injektiv. Wir müssen folglich die Punkte [mm]p[/mm] und [mm]-p[/mm] der Kreislinie identifizieren, als wären sie nur ein Punkt.
Wir betrachten daher Punktepaare [mm]\{ p,-p \}[/mm] und ordnen jedem Punktepaar die Äquivalenzklasse zu:
[mm]\{ p,-p \} \mapsto [p] = [-p][/mm]
Jetzt haben wir zwar Injektivität (denn verschiedene Punktepaare links führen auch zu verschiedenen Geraden rechts), aber links stehen keine Elemente von [mm]S^1[/mm] mehr, sondern Paare aus einem Punkt und seinem diametral entgegengesetzten Punkt. Der "Kreis" schließt sich jetzt sozusagen nach einer halben Drehung: Ganz zu Anfang ist man bei [mm]\{ (1,0),(-1,0) \}[/mm], nach einer Vierteldrehung bei [mm]\{ (0,1),(0,-1) \}[/mm], nach einer Halbdrehung bei [mm]\{ (-1,0),(1,0) \}[/mm], also wieder am Anfang, wo man gestartet war. Auch dieses Identifizieren von [mm]p[/mm] und [mm]-p[/mm] führt zu etwas Geschlossenem, also einer "Kreislinie".
Wie bekommt man das Phänomen jetzt rechnerisch in den Griff? Da hilft die komplexe Wurzelfunktion. Diese halbiert den Polarwinkel eines [mm]p \in S^1[/mm] (jetzt als Teilmenge von [mm]\mathbb{C}[/mm] aufgefaßt). Von den beiden möglichen Wurzelwerten entscheiden wir uns für den mit positivem Imaginärteil (wobei wir bei [mm]\sqrt{1}[/mm] von den beiden Möglichkeiten [mm]\sqrt{1}=1[/mm] nehmen). Die Werte der Wurzelfunktion bilden dann die obere Kreislinienhälfte ohne den Punkt [mm]-1[/mm]. Ich bezeichne diese Kreishälfte mit [mm]S_+^1[/mm]. Jetzt übertragen wir das formal auf den [mm]\mathbb{R}^2[/mm], fassen also [mm]S^1[/mm] und [mm]S_+^1[/mm] wieder als Teilmengen von [mm]\mathbb{R}^2[/mm] auf. Wir stellen [mm]p \in S^1[/mm] folgendermaßen dar:
[mm]p = \left( \cos t , \sin t \right) \ \ \text{mit} \ \ 0 \leq t < 2 \pi[/mm]
und definieren die Wurzelfunktion folgendermaßen:
[mm]\sqrt{\cdot}: \ S^1 \to S_+^1} \, , \ \ p \mapsto \sqrt{p} = \left( \cos \frac{t}{2} , \sin \frac{t}{2} \right)[/mm]
Dann ist
[mm]\varphi: S^1 \to \mathbb{RP}^1 \, , \ \ p \mapsto \left[ \sqrt{p} \right][/mm]
ein Homöomorphismus zwischen [mm]S^1[/mm] und [mm]\mathbb{RP}^1[/mm]. Zur Stetigkeit sollte man sich noch ein paar Gedanken machen, denn [mm]p \mapsto \sqrt{p}[/mm] ist bei [mm](1,0)[/mm] unstetig. Nähert man sich mit [mm]p[/mm] von oben an [mm](1,0)[/mm] an, dann strebt [mm]\sqrt{p}[/mm] (von oben) gegen [mm](1,0)[/mm], nähert man sich dagegen von unten an [mm](1,0)[/mm] an, strebt [mm]\sqrt{p}[/mm] (von oben) gegen [mm](-1,0)[/mm]. Diese Unstetigkeit wird aber durch die Äquivalenzklassenbildung [mm]\left[ \sqrt{p} \right][/mm] kompensiert, denn [mm][(1,0)] = [(-1,0)][/mm], weil [mm](1,0) \sim (-1,0)[/mm] gilt (die Vektoren sind ja linear abhängig).
Im Anhang habe ich den Homöomorphismus einmal konkret mit dynamischer Geometrie realisiert. Verwende zum Öffnen der Datei Euklid.
Dateianhänge: Anhang Nr. 1 (Typ: geo) [nicht öffentlich]
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