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Konservatismus: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 16:44 So 10.05.2009
Autor: Dinker

Guten Nachmittag

Kann mir mal jemand sagen, weshalb sich der Konservatismus im 19 Jahrhundert noch so lange behaupten konnte resp. so Resistenz dem Liberalismus entgegenwirkte?

Danke
Gruss DInker

        
Bezug
Konservatismus: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 16:25 Fr 29.05.2009
Autor: Michael_V

Hallo Dinker,

Deine Frage impliziert, dass Du es für eine Selbstverständlichkeit hältst, dass der Liberalismus sich gegenüber dem Konservativismus hätte durchsetzen müssen. Eine objektive Antwort ist leider nur schwer möglich, jedoch existieren selbstkritische Texte aus dem liberalen Umfeld zu Deiner Frage: Dort wird unter anderem angeführt, dass der Liberalismus oft in der konkreten Tagespolitik ein Glaubwürdigkeitsdefizit selber herbeiführte, - z.B. bei seiner Beteiligung am Kulturkampf in Deutschland gegen die Katholische Kirsche bzw. gegen die Katholiken. Wenn der Liberalismus damals konsequent liberal gewesen wäre, dann hätte er sich in den Punkten der Katholikendiskriminierung auf die Seite der Katholiken stellen müssen, OHNE jedoch zwangsläufig alle Ansichten der Katholischen Kirche zu teilen. Bereits Voltaire legte Wert darauf, dass ein Liberaler auch die Freiheitsrechte von denen zu verteidigen hat, deren Meinung er gerade nicht teilt bzw. sogar „widerlich“ findet. Die Konservativen waren damals eher protestantisch und machten antikatholische Politik, weshalb für die Katholiken nur noch die Wahl blieb, eine explizit katholische Partei zu wählen. Wenn also hier die Liberalen den Katholiken signalisiert hätten, dass der Liberalismus die Freiheitsrechte ALLER verteidigt – jedoch gegen Privilegien und Diskriminierung anderer eintritt, hätte man damals sicher viele Katholiken für sich gewinnen können.

Ein anderer Punkt ist die „Perversion“ des Liberalismus (diese „Perversionen“ gibt es ja auch zur Rechten wie zur Linken). Diese wird beim Liberalismus in der „Wertebeliebigkeit“ bzw. im „Werterelativismus“ gesehen – womit sich der Liberalismus im Grunde selber widerspräche, da auch er auf Axiomen fußt, welche ein Wertekoordinatensystem aufspannen („Selbsteigentum“ und „Gleichwertigkeit“ [nicht Gleichheit!] jedes Individuums) und daher sei er selber gerade NICHT wertebeliebig. Dies schreckte viele privat konservative Menschen ab, politisch liberal zu werden (was im Falle des reinen Liberalismus kein Widerspruch sein muss!).

Der dritte Punkt liegt in der inneren Stärke des Konservativismus selber. Anders als der Liberalismus oder der Sozialismus lehnt der Konservativismus ab, dass ein Gesellschaftsmodell quasi „am Reißbrett“  entworfen werden und den Menschen übergestülpt funktionieren könne, da das System „menschliche Gesellschaft“ viel zu komplex sei, um alle Aspekte, Rückkopplungen bzw. Wechselwirkungen und deren Funktionen verstehen zu können. Daher fordert der Konservativismus, dass Veränderungen nur organisch und stetig verlaufen dürften, da man nur so bei Fehlern gegensteuern könne. Das System „Gesellschaft“ ist nach konservativer Sicht über Jahrtausende gewachsen und die alte Struktur mag zwar Fehler haben – aber diese hat sich über einen langen evolutionären Prozess herausgebildet und viele ihrer Funktionen sind bisher noch gar nicht verstanden. Deshalb halten es Konservative für eine Anmaßung, eine „neue Ordnung“  künstlich zu schaffen, da diese mit hoher Wahrscheinlichkeit langfristig zum scheitern verurteilt sein wird. Diese Sichtweise wurde damals wie heute von vielen Menschen geteilt, welche daher ein (berechtigtes oder unberechtigtes) Misstrauen gegen den Sozialismus und gegen den Liberalismus hatten.

Das ist meine subjektive Sicht der Dinge.


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