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Neue Mathematik: Nieder mit Euklid,
Status: (Umfrage) Beendete Umfrage Status 
Datum: 11:09 Do 14.08.2014
Autor: Diophant

Tod den Dreiecken!

Mit dieser Parole machte []Jean Dieudonné 1959 anlässlich einer OEEC-Konferenz auf die Forderung der []Bourbaki-Gruppe aufmerksam, deren Ideen zu nutzen um den Mathematikunterricht an den Schulen umzukrempeln, was ja dann auch in Deutschland unter dem Stichwort []Neue Mathematik geschehen ist.

Nun: jeder hier, der die entsprechende Anzahl an Lebensjahren auf dem Buckel hat, kennt sie noch: die Kästen mit den Mengenlehre-Klötzchen. Sie sind sicherlich das bekannte und 'verhasste' Symbol der damaligen Reform geblieben, die ja im allgemeinen als gescheitert betrachtet wird. Nur: ist das alles wirklich so gescheitert? Der eine oder andere Lerninhalt an Gymnasien zumindest, den wir heute als Selbstverständlichkeit sehen, geht ja wohl auf diese Ideen zurück, wie etwa die frühzeitige Einführung des Funktionsbegriffes.

Ich möchte nun diese ganze Geschichte hier nicht diskutieren, das würde ja auch jeden Rahmen sprengen. Mich interessieren auf Grund eines persönlichen Projektes hier Antworten auf die folgenden Fragen:

- Was waren konkrete Lehrplaninhalte, die damals in Deutschland aus diesen Ideen heraus implementiert wurden?
- Wie sah bzw. sieht das in anderen Ländern* aus? Wo wurden diese Ideen noch aufgegriffen, in welcher Form, mit welcher Akzeptanz/mit welchem Erfolg?
- Literaturtipps zum Thema Neue Mathematik

Vielen Dank im Voraus für jede Antwort!

*Ende der 80er-Jahre war ich mehrmals in Ungarn in Urlaub und hatte dort auch Kontakt zu Gleichaltrigen. Von daher ist mir noch in Erinnerung, dass dort die Gruppentheorie Abiturstoff war und insgesamt das Niveau im Vergleich zu West-Deutschland atemberaubend war. Aus welchen Motivationen allerdings dort im Ostblock damals Lehrpläne gestaltet wurden, ist mir (bis auf die politischen Gründe natürlich) nicht bekannt.


Gruß, Diophant  

        
Bezug
Neue Mathematik: Erinnerungen
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 12:57 Do 14.08.2014
Autor: Al-Chwarizmi

Hallo Diophant,

ich möchte dazu nur zwei meiner persönlichen Erfahrungen
anführen. Ich bin in einem Schweizer Bergkanton aufgewachsen
und besuchte dort auch das damals erst wenige Jahre alte
Gymnasium. Dort führte uns der Mathelehrer (nebenbei:
ein Österreicher) auch in die Grundbegriffe der Mengen
und Gruppen ein. Als Beispiel fällt mir etwa die Unter-
suchung der Symmetriegruppe des Würfels und anderer
Körper ein, was ich sehr spannend fand. Bei einem weiteren
Lehrer befassten wir uns mit etwas Topologie (Königsberger
Brückenproblem, Färbungsprobleme). Das spornte mich an, mich
hinter das damals noch ungelöste Vierfarbenproblem zu setzen.
Kann sein, dass solche Erfahrungen auch dazu beigetragen
haben, dass ich mich dann zum Mathematikstudium entschloss.

Ein paar Jahre später, nachdem ich Mengen- und Gruppen-
theorie an der ETH ausführlich kennengelernt hatte, fragte
mich mein ehemaliger Sekundarlehrer an, ob ich ihm ein
wenig helfen könne im Zusammenhang mit dem neuen
Lehrstoff, den er seinen Schülern in Mathe aufgrund eines
neuen Lehrplans zu vermitteln habe. Es ging um besagte
"Neue Mathematik". Er war zwar ein ausgezeichneter
Lehrer, nicht nur in Mathe, sondern auch in anderen
Fächern - aber er hatte Mühe, sich mit dem neuen Lehr-
stoff anzufreunden, bei dem wohl seiner Ansicht nach
in mathematische Mäntelchen gekleidete Banalitäten
an die Schüler vermittelt werden sollten, mit reichlich
langweiligen "Anwendungen". Ähnlich wie er sahen dies
wohl damals sehr viele Lehrkräfte auf Primar- und Mittel-
stufe, was dem Voranschreiten der "neuen Mathematik"
in den Schulen und Lehrplänen in der Folge eher enge
Grenzen setzte.  (***)

Über die weiteren Entwicklungen bin ich zwar nicht im
Einzelnen orientiert. Dem Glauben einiger Bourbakianer,
dass es sinnvoll sei, Kinder auf dem Pfad des Mengenbegriffs
anstatt auf dem des Zählens zur Mathematik zu leiten,
frönen wohl nur noch wenige. Dass aber "New Math"
auf den oberen Schulstufen doch einigen Einfluss
hatte, ist wohl auch nicht zu verkennen.
  
Al-Chwarizmi



(***): Zur Bedeutung guter Lehrer und ihrer Rolle bei der
Auswahl geeigneter Lehrstoffe ein Zitat von Morris Kline
aus seinem Buch "Why Johnny Can't Add":

The training of good teachers is far more important
than the curriculum. Such teachers can do wonders with
any curriculum. Witness the number of good mathematicians
we have trained under the traditional curriculum,
which is decidedly unsatisfactory. A poor teacher and
a good curriculum will teach poorly whereas a good
teacher will overcome the deficiencies of any curriculum.

Who is to fashion the right curriculum of the future?
The broad mathematical scholars and the experienced,
mature, well-educated elementary and high school teachers
are the proper people. Research people, psychologists,
and education professors of the current type may serve
as consultants but certainly should not lead this work.
Beyond this, the schoolteachers should be the arbiters
of what is to be taught and how it is to be taught.
They are the ones who have worked with young people
and know best what motivates them and what degree
of abstraction they can absorb.


Wenn ich aktuelle Lehrpläne betrachte, fürchte ich, dass
da gerade z.B. "psychologists and education professors
of the current type" wohl deutlich zu stark mitgemischt
haben.


Ich kann's mir nicht ganz verkneifen, zum Thema noch
folgenden Link anzugeben:


[]New Math

(das geht auf []Tom Lehrer zurück)

Have Fun !


Bezug
        
Bezug
Neue Mathematik: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 14:29 Do 14.08.2014
Autor: Ladon

Hallo Diophant,

ich habe mich auch vor längerer Zeit mit dem Thema "New Math" auseinandergesetzt.
Auslöser war damals wohl der Sputnik-Schock. Aus jener politisch-gesellschaftlichen Bewegung heraus wurde die Bildungspolitik des Westens reformiert, insbesondere die Bildungspolitik der USA, um die ingenieurwissenschaftlichen Fähigkeiten wieder aufzuholen. Ein nettes Video bietet hierzu Tom Lehrers Performance über New Math. Man investierte in den USA beispielsweise mehrere Milliarden Dollar in die Bildung und förderte naturwissenschaftliche und mathematische Fachrichtungen (z.B. zeitlich). In der Mathematik orientierte man sich zunehmend an der Fachsystematik, weshalb Mengenlehre als Grundlage der Mathematik recht früh gelehrt wurde.
Der PISA-Schock kehrte das ganze wieder zugunsten der "mathematical literacy" um. Ein schöner Artikel zu dieser Kontinuität findet sich []hier.
Was Literaturempfehlungen betrifft, fällt mir momentan nur das Buch "3000 Jahre Analysis" (Sonar) ein. Da könnte so etwas drin stehen. Spezifischere Angaben kann ich leider nicht mehr (Gedächtnis ;-)) machen.

MfG
Ladon

Bezug
                
Bezug
Neue Mathematik: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 12:57 Fr 15.08.2014
Autor: Diophant

Hallo Ladon,

zunächst vielen Dank für deine Antwort!

> Auslöser war damals wohl der Sputnik-Schock.

Du meinst, der Auslöser für das Ausrufen des Bildungsnotstands, wie es etwa in Deutschland durch Georg Picht getan wurde? Das hat ja dann dieser Reform durchaus den Boden bereitet, aber die Inhalte sind ja eben bourbakianischer Natur. ;-)

> Aus jener
> politisch-gesellschaftlichen Bewegung heraus wurde die
> Bildungspolitik des Westens reformiert, insbesondere die
> Bildungspolitik der USA, um die ingenieurwissenschaftlichen
> Fähigkeiten wieder aufzuholen.

Du würdest das also so einschätzen, dass man sich eher im angloamerikanischen Bereich und in Westeuropa umsehen sollte, sofern man sich da auf die Spurensuche in Sachen Neue Mathematik begeben möchte? Mir geht es ja auch um konkrete Tipps, in welchen Ländern das wann aufgegriffen wurde (und dann jeweils, wie das konkret ausgesehen hat)?

> Ein nettes Video bietet

> hierzu Tom Lehrers Performance über New Math.

Na ja, das ist nett, in der Tat. Mir hilft das nicht: mir geht es hier eigentlich nur darum, möglichst viele Infos zu sammeln, wie die New Math-Umsetzung konkret ausgesehen hat, ohne das irgendwie bewerten zu wollen. Es würde zu weit führen zu erläutern, wozu ich das benötige.

> Man

> investierte in den USA beispielsweise mehrere Milliarden
> Dollar in die Bildung und förderte naturwissenschaftliche
> und mathematische Fachrichtungen (z.B. zeitlich). In der
> Mathematik orientierte man sich zunehmend an der
> Fachsystematik, weshalb Mengenlehre als Grundlage der
> Mathematik recht früh gelehrt wurde.
> Der PISA-Schock kehrte das ganze wieder zugunsten der
> "mathematical literacy" um. Ein schöner Artikel zu dieser
> Kontinuität findet sich
> []hier.

>

Danke für den Link. Der wird am Wochende vervespert, heute fehlt mir die Zeit dazu. Aber liegt nicht die Abschaffung der Mengenlehre weit, weit vor dem PISA-Schock?

> Was Literaturempfehlungen betrifft, fällt mir momentan nur
> das Buch "3000 Jahre Analysis" (Sonar) ein. Da könnte so
> etwas drin stehen. Spezifischere Angaben kann ich leider
> nicht mehr (Gedächtnis ;-)) machen.

>

Das steht sowieso schon auf meiner aktuellen Einkaufsliste, zusammen mit seinen 'Kollegen'. :-)


Gruß, Diophant

Bezug
                        
Bezug
Neue Mathematik: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 15:16 Fr 15.08.2014
Autor: abakus


> Hallo Ladon,

>

> zunächst vielen Dank für deine Antwort!

>

> > Auslöser war damals wohl der Sputnik-Schock.

>

> Du meinst, der Auslöser für das Ausrufen des
> Bildungsnotstands, wie es etwa in Deutschland durch Georg
> Picht getan wurde? Das hat ja dann dieser Reform durchaus
> den Boden bereitet, aber die Inhalte sind ja eben
> bourbakianischer Natur. ;-)

>

> > Aus jener
> > politisch-gesellschaftlichen Bewegung heraus wurde die
> > Bildungspolitik des Westens reformiert, insbesondere
> die
> > Bildungspolitik der USA, um die
> ingenieurwissenschaftlichen
> > Fähigkeiten wieder aufzuholen.

>

> Du würdest das also so einschätzen, dass man sich eher
> im angloamerikanischen Bereich und in Westeuropa umsehen
> sollte, sofern man sich da auf die Spurensuche in
> Sachen Neue Mathematik begeben möchte? Mir geht es ja
> auch um konkrete Tipps, in welchen Ländern das wann
> aufgegriffen wurde (und dann jeweils, wie das konkret
> ausgesehen hat)?

>

> > Ein nettes Video bietet
> > hierzu Tom Lehrers Performance über New Math.

>

> Na ja, das ist nett, in der Tat. Mir hilft das nicht: mir
> geht es hier eigentlich nur darum, möglichst viele Infos
> zu sammeln, wie die New Math-Umsetzung konkret ausgesehen
> hat, ohne das irgendwie bewerten zu wollen. Es würde zu
> weit führen zu erläutern, wozu ich das benötige.

>

> > Man
> > investierte in den USA beispielsweise mehrere
> Milliarden
> > Dollar in die Bildung und förderte
> naturwissenschaftliche
> > und mathematische Fachrichtungen (z.B. zeitlich). In
> der
> > Mathematik orientierte man sich zunehmend an der
> > Fachsystematik, weshalb Mengenlehre als Grundlage der
> > Mathematik recht früh gelehrt wurde.
> > Der PISA-Schock kehrte das ganze wieder zugunsten der
> > "mathematical literacy" um. Ein schöner Artikel zu
> dieser
> > Kontinuität findet sich
> > []hier.

>

> >

>

> Danke für den Link. Der wird am Wochende vervespert, heute
> fehlt mir die Zeit dazu. Aber liegt nicht die Abschaffung
> der Mengenlehre weit, weit vor dem PISA-Schock?

>

> > Was Literaturempfehlungen betrifft, fällt mir momentan
> nur
> > das Buch "3000 Jahre Analysis" (Sonar) ein. Da könnte
> so
> > etwas drin stehen. Spezifischere Angaben kann ich
> leider
> > nicht mehr (Gedächtnis ;-)) machen.
> >

>

> Das steht sowieso schon auf meiner aktuellen Einkaufsliste,
> zusammen mit seinen 'Kollegen'. :-)

>
>

> Gruß, Diophant

Hallo,
ich weiß nicht, ob das so direkt zum Thema gehört: zu Beginn der 60-er Jahre gab es in der DDR einen riesigen Hype um die (anfangs verteufelte) Kybernetik. Die ganze Kampagne war aber mit dem Sturz von Ulbricht völlig verschwunden.
Das hat vielleicht nicht direkt was mit New Math zu tun, aber ereignete sich im gleichen historischen Kontext.
Wer neugierig geworden ist, muss mal googeln.
Gruß Abakus

Bezug
                                
Bezug
Neue Mathematik: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 19:58 Fr 15.08.2014
Autor: Diophant

Hallo abakus,

vielen Dank für deine Antwort, die jedoch meine Fragen nicht trifft. Vielleicht war die Bemerkung über meine Ungarn-Urlaube im Themenstart missverständlich. Jedenfalls geht es mir ausschließlich um solche Konzepte, die auf Bourbaki zurückgehen.

Gruß, Diophant

Bezug
                        
Bezug
Neue Mathematik: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 21:03 Fr 15.08.2014
Autor: Al-Chwarizmi


> mir geht es hier eigentlich nur darum, möglichst viele Infos
> zu sammeln, wie die New Math-Umsetzung konkret ausgesehen
> hat, ohne das irgendwie bewerten zu wollen. Es würde zu
> weit führen zu erläutern, wozu ich das benötige.


Hallo Diophant,

es erwartet bestimmt keiner eine ausführliche Erläuterung,
aber eventuell würden wenige Stichworte schon ausreichen
für jene, die behilflich sein möchten ...

LG ,  Al

Bezug
                                
Bezug
Neue Mathematik: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 22:46 Fr 15.08.2014
Autor: Diophant

Hallo Al-Chwarizmi,

vorneweg: abends schreibe ich meist vom WP8-Smartphone aus, und kann daher nicht zitieren (zu Wieschoo winkend ;-) ).

Nein, ich werde zum jetzigen Zeitpunkt nichts darüber sagen und ich sehe auch nicht irgendeine Notwendigkeit, dies zu tun. Im Themenstart steht klipp und klar was ich wissen möchte, aber ich wiederhole es gerne:

- Wo und wann wurden Bourbaki-Ideen im Bereich von Lehrplänen für die Schule umgesetzt und wie genau sah dies im Detail aus?

- Literaturtipps zum Thema New Math (und nur zu diesem Thema).

Es ist mir klar, dass dies ein 'exotisches' Anliegen ist und ich habe keinesfalls den Anspruch, dass hier all meine Fragen geklärt werden. Indes könnte es sein, dass es hier User gibt, die etwas beisteuern könnten wie oben Ladon, und deshalb habe ich gefragt.

Mit irgendwelchen Anregungen, die gut gemeint aber nicht zum Thema sind, ist mir jedoch an dieser Stelle nicht geholfen (was aber kein Vorwurf sondern eine Information sein soll).


Gruß, Diophant



Bezug
                        
Bezug
Neue Mathematik: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 21:43 Sa 16.08.2014
Autor: Ladon

Hallo Diophant,

leider kam ich jetzt erst zu einer Rückmeldung, die nur kurz ausfällt.

> > Auslöser war damals wohl der Sputnik-Schock.
>  
> Du meinst, der Auslöser für das Ausrufen des
> Bildungsnotstands, wie es etwa in Deutschland durch Georg
> Picht getan wurde? Das hat ja dann dieser Reform durchaus
> den Boden bereitet, aber die Inhalte sind ja eben
> bourbakianischer Natur. ;-)

Pichts Kritik passt natürlich zeitlich sehr gut hinein. Ich denke allerdings, dass man bei diesem Thema, wie bei allen politischen Entscheidungen in der Zeit des kalten Krieges, die Bildungspolitik vor dem Hintergrund einer bipolaren Welt wahrnehmen sollte.

> > Aus jener
>  > politisch-gesellschaftlichen Bewegung heraus wurde die

>  > Bildungspolitik des Westens reformiert, insbesondere

> die
>  > Bildungspolitik der USA, um die

> ingenieurwissenschaftlichen
>  > Fähigkeiten wieder aufzuholen.

>  
> Du würdest das also so einschätzen, dass man sich eher
> im angloamerikanischen Bereich und in Westeuropa umsehen
> sollte, sofern man sich da auf die Spurensuche in
> Sachen Neue Mathematik begeben möchte? Mir geht es ja
> auch um konkrete Tipps, in welchen Ländern das wann
> aufgegriffen wurde (und dann jeweils, wie das konkret
> ausgesehen hat)?

Ich schätze, du solltest angloamerikanische Literatur bevorzugen, z.B. von []Walmsley oder []hier. Auch die englischsprachige Wikipedia ordnet die []New Math Bewegung eindeutig einem US-amerikanischen Ursprung zu:
New Mathematics or New Math was a brief, dramatic change in the way mathematics was taught in American grade schools, and to a lesser extent in European countries, during the 1960s. The name is commonly given to a set of teaching practices introduced in the U.S. shortly after the Sputnik crisis in order to boost science education and mathematical skill in the population so that the perceived intellectual threat of Soviet engineers, reputedly highly skilled mathematicians, could be met.

> > Ein nettes Video bietet
>  > hierzu Tom Lehrers Performance über New Math.

>  
> Na ja, das ist nett, in der Tat. Mir hilft das nicht: mir
> geht es hier eigentlich nur darum, möglichst viele Infos
> zu sammeln, wie die New Math-Umsetzung konkret ausgesehen
> hat, ohne das irgendwie bewerten zu wollen. Es würde zu
> weit führen zu erläutern, wozu ich das benötige.

Wenn du nach konkretem Unterrichtsmaterial suchst, solltest du vielleicht einfach in Schulen mit geordneter Bibliothek anfragen. Zeitzeugen können sicherlich ebenfalls einen Teil dazu beitragen das Bild zu vervollständigen.

MfG
Ladon

EDIT: Den Wikipedia-Artikel solltest du evtl. lesen, um dir die Entwicklung in anderen Staaten zumindest schemenhaft vor Augen zu führen.

Bezug
                                
Bezug
Neue Mathematik: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 10:34 So 17.08.2014
Autor: Diophant

Hallo Ladon,

vielen Dank für deine Tipps. Der Literaturtipp ist glaube ich genau das, was ich gesucht habe.

Von daher bin ich jetzt hier erst einmal mit Material versorgt. Sofern aber noch jemand etwas einfällt, freue ich mich natürlich über weitere Antworten und lasse die Umfrage mal offen.

Gruß, Diophant

Bezug
        
Bezug
Neue Mathematik: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 16:01 Fr 15.08.2014
Autor: Al-Chwarizmi


> Ende der 80er-Jahre war ich mehrmals in Ungarn in Urlaub
> und hatte dort auch Kontakt zu Gleichaltrigen. Von daher
> ist mir noch in Erinnerung, dass dort die Gruppentheorie
> Abiturstoff war und insgesamt das Niveau im Vergleich zu
> Deutschland atemberaubend war. Aus welchen Motivationen
> allerdings dort im Ostblock damals Lehrpläne gestaltet
> wurden, ist mir (bis auf die politischen Gründe
> natürlich) nicht bekannt.


Hallo Diophant,

auch mir war schon seit meiner Studienzeit bekannt, dass
im damaligen Ostblock offenbar insbesondere in anwendungs-
orientierten Bereichen (Ingenieurmathematik) der Mathematik
ein hohes Niveau bestand. Dies nutzten wir z.B. auch so, dass
wir gewisse Lehrbücher (in deutscher Sprache) russischer
Provenienz kauften, weil die gut und wesentlich billiger
als entsprechende Bücher aus westlichen Verlagen waren.

Bei internationalen Mathematik-Olympiaden (die ohnehin
im Ostblock eingeführt wurden), hatten Ostblockländer
über lange Zeit auch die Nase ganz vorn.

Das liegt wohl schon daran, dass dort der Mathematik und
den naturwissenschaftlichen Fächern in den Schulen im
Hinblick auf die Entwicklung einer starken Industrie mit
hohem Bedarf an Ingenieuren ein hoher Stellenwert ein-
geräumt wurde, insbesondere auch durch hohe Stundendotationen.
Ferner scheint eine Wettbewerbskultur (auch mit gezielten
Vorbereitungskursen) dort viel verbreiteter gewesen zu sein
(und ist es bis heute, wie ich anläßlich einer Konferenz
von "Mathematik ohne Grenzen" in Rumänien feststellen
konnte) als in westeuropäischen Ländern.
Mit dem Thema "neue Mathematik" hat dies wohl allerdings
eher wenig zu tun, wohl aber mit den Gründen, weshalb in
der damaligen Sowjetunion ein Potential an fähigen Ingenieuren
und Wissenschaftlern vorhanden war, das vielleicht im
Westen zu lange unterschätzt oder sogar belächelt wurde -
bis zur  Zündung der ersten sowjetischen nuklearen Fissions-
und Fusionsbomben und dem Sputnik.  

Eine interessante Quelle, betreffend die DDR, habe ich
als PDF im Netz gefunden:  

Lehrplan und Lehrplanerarbeitung, Schulbuchentwicklung und ...  
(Peter Borneleit, Leipzig)




LG ,   Al-Chw.

Bezug
                
Bezug
Neue Mathematik: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 16:33 Fr 15.08.2014
Autor: abakus


> > Ende der 80er-Jahre war ich mehrmals in Ungarn in Urlaub
> > und hatte dort auch Kontakt zu Gleichaltrigen. Von daher
> > ist mir noch in Erinnerung, dass dort die Gruppentheorie
> > Abiturstoff war und insgesamt das Niveau im Vergleich zu
> > Deutschland atemberaubend war. Aus welchen Motivationen
> > allerdings dort im Ostblock damals Lehrpläne gestaltet
> > wurden, ist mir (bis auf die politischen Gründe
> > natürlich) nicht bekannt.

>
>

> Hallo Diophant,

>

> auch mir war schon seit meiner Studienzeit bekannt, dass
> im damaligen Ostblock offenbar insbesondere in
> anwendungs-
> orientierten Bereichen (Ingenieurmathematik) der
> Mathematik
> ein hohes Niveau bestand. Dies nutzten wir z.B. auch so,
> dass
> wir gewisse Lehrbücher (in deutscher Sprache) russischer
> Provenienz kauften, weil die gut und wesentlich billiger
> als entsprechende Bücher aus westlichen Verlagen waren.

>

> Bei internationalen Mathematik-Olympiaden (die ohnehin
> im Ostblock eingeführt wurden), hatten Ostblockländer
> über lange Zeit auch die Nase ganz vorn.

>

> Das liegt wohl schon daran, dass dort der Mathematik und
> den naturwissenschaftlichen Fächern in den Schulen im
> Hinblick auf die Entwicklung einer starken Industrie mit
> hohem Bedarf an Ingenieuren ein hoher Stellenwert ein-
> geräumt wurde, insbesondere auch durch hohe
> Stundendotationen.
> Ferner scheint eine Wettbewerbskultur (auch mit gezielten
> Vorbereitungskursen) dort viel verbreiteter gewesen zu
> sein
> (und ist es bis heute, wie ich anläßlich einer
> Konferenz
> von "Mathematik ohne Grenzen" in Rumänien feststellen
> konnte) als in westeuropäischen Ländern.
> Mit dem Thema "neue Mathematik" hat dies wohl allerdings
> eher wenig zu tun, wohl aber mit den Gründen, weshalb in
> der damaligen Sowjetunion ein Potential an fähigen
> Ingenieuren
> und Wissenschaftlern vorhanden war, das vielleicht im
> Westen zu lange unterschätzt oder sogar belächelt wurde
> -
> bis zur Zündung der ersten sowjetischen nuklearen
> Fissions-
> und Fusionsbomben und dem Sputnik.

>

> Eine interessante Quelle, betreffend die DDR, habe ich
> als PDF im Netz gefunden:

>

> Lehrplan und Lehrplanerarbeitung, Schulbuchentwicklung und
> [color=blue]... [/color]
> (Peter Borneleit, Leipzig)

>
>
>

> LG , Al-Chw.

Hallo,
zur Geschichte der math. Begabtenförderung in der DDR kann ich diesen Artikel empfehlen:
[]http://users.math.uni-potsdam.de/~wendland/blis/Infoblatt/58_3.html
Gruß Abakus

Bezug
        
Bezug
Neue Mathematik: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 23:37 Sa 16.08.2014
Autor: Al-Chwarizmi

Hallo Diophant, beim Stöbern zum Thema bin ich auf den Namen []Tanja Hamann gestoßen, die dazu offenbar ihre Dissertation geschrieben hat (oder schreibt ...). Einen ihrer Beiträge habe ich gelesen und gefunden, dass da verschiedene Aspekte prägnant zum Ausdruck kommen.

Vielleicht bist du aber ohnehin schon darauf gestoßen ...
Übrigens denke ich schon, dass auch die "New Math" - Bewegung in den USA deutlich von Bourbaki-Seite her beeinflusst wurde (Schlüsselperson: Marshall Stone).

Hamann, Tanja (2013): „Macht Mengenlehre krank?“ – Kritik an der Neuen Mathematik in der Grundschule. In: Beiträge zum Mathematikunterricht 2013. Vorträge auf der 47. Tagung für Didaktik der Mathematik vom 4.3.2013 bis 8.3.2013 in Münster, hrsg. von G. Greefrath, F. Käpnick und M. Stein.
http://www.mathematik.uni-dortmund.de/ieem/bzmu2013/Einzelvortraege/BzMU13-Hamann.pdf

Hamann, Tanja (2012): „Macht Mengenlehre krank?“ – Die Neue Mathematik am Beispiel des Schulbuchs von Neunzig/Sorger. In: Beiträge zum Mathematikunterricht 2012. Vorträge auf der 46. Tagung für Didaktik der Mathematik vom 5.3.2012 bis 9.3.2012 in Weingarten, für die GDM hrsg. von M. Ludwig und M. Kleine.
http://www.mathematik.uni-dortmund.de/ieem/bzmu2012/files/BzMU12_0140_Hamann.pdf

Hamann, Tanja (2011): „Macht Mengenlehre krank?“ – Die Neue Mathematik in der Schule. In: Beiträge zum Mathematikunterricht 2011. Vorträge auf der 45. Tagung für Didaktik der Mathematik vom 21.2. bis 25.2.2011 in Freiburg, Gesellschaft für Didaktik der Mathematik [Hrsg.].
[mm] www.mathematik.tu-dortmund.de/ieem/bzmu2011/_BzMU11_2_Einzelbeitraege/BzMU11_HAMANN_T_Mengenlehre.pdf [/mm]

Gruß ,   Al

Bezug
                
Bezug
Neue Mathematik: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 10:27 So 17.08.2014
Autor: Diophant

Hallo Al-Chwarizmi,

> Hallo Diophant, beim Stöbern zum Thema bin ich auf den
> Namen
> []Tanja Hamann
> gestoßen, die dazu offenbar ihre Dissertation geschrieben
> hat (oder schreibt ...). Einen ihrer Beiträge habe ich
> gelesen und gefunden, dass da verschiedene Aspekte
> prägnant zum Ausdruck kommen.

>

> Vielleicht bist du aber ohnehin schon darauf gestoßen ...

In der Tat, und sie befasst sich ja wohl eher und ausschließlich mit dem Mengenlehre-Teil, der übrigens die Schnittmenge zu den Reformbemühungen im Ostblock (auf jeden Fall in der ehemaligen DDR) ab den 50er Jahren zu sein scheint. Das interessiert mich hier insofern weniger, weil es der Teil ist, den man eh kennt und ich mir zumindest einbilde, die fachlichen Motivationen hinter dieser Reform zu kennen.

> Übrigens denke ich schon, dass auch die "New Math" -
> Bewegung in den USA deutlich von Bourbaki-Seite her
> beeinflusst wurde (Schlüsselperson: Marshall Stone).

Umd genau solche Sachen interessieren mich gerade aus bestimmten Gründen. Ich habe jetzt mal auf die Schnelle gegoogelt und schon mal einen interssanten Vortrag von ihm als Pdf gefunden. Ich kannte Stone noch nicht, von daher vielen Dank für diesen Tipp!


Gruß, Diophant

Bezug
                        
Bezug
Neue Mathematik: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 08:12 Di 19.08.2014
Autor: rabilein1


> Ich kannte Stone noch nicht, von daher vielen Dank für diesen Tipp!

Ich weiß zwar nicht, was du bisher recherchiert hast, aber wenn du auf
[]Neue Mathematik
gehst, da wird dieser Marshall Stone erwähnt.


Bezug
        
Bezug
Neue Mathematik: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 11:54 So 31.08.2014
Autor: Ladon

Hallo Diophant,

auch wenn du vielleicht schon  an Informationen gesättigt bist, möchte ich dir noch einen Literaturtipp geben.
Im Urlaub habe ich Masha Gessens Werk über Grigori Perelman gelesen, was nicht nur biographische Informationen, sondern auch Inhalte geschichtlicher Natur beinhaltet. Perelman ist bekanntlich derjenige russische Mathematiker, der die Poincare-Vermutung bewies und den Preis für die Lösung dieses Millenniumproblems ablehnte. Das Buch kann durchaus eine unterhaltsame Einführung in die Struktur der russischen Mathematik mit ihren vielen Wettbewerben darstellen. Ich kann jedem mathematisch Interessierten das Buch nur ans Herz legen.
Ad rem: Da auch kurz auf die "Neue Mathematik" als eine von den USA ausgehende und auf die westlichen Staaten beschränkte Bildungsreform eingegangen wurde, findet man unter "Anmerkungen" einige Quellen zu diesem Thema. Ich zitiere:

David Klein, "A Brief History of American K-12 Mathematics Education in the 20th Century", in: James Royer (Hg.), Mathematical Cognition, Greenwich: Information Age Publishing 2003, siehe den Preprint unter: <http://www.csun.edu/~vcmth00m/AHistory.html>, zuletzt besucht am 14. Februar 2013;
Patrick Suppes und Shirley Hill, "Set Theory in the Primary Grades", in: New York State Mathematics Teachers' Journal 13 (1963), S. 46-53.

Vielleicht sind die Quellen für dich hilfreich.

MfG Ladon

EDIT: Link repariert.

Bezug
                
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Neue Mathematik: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 14:05 So 31.08.2014
Autor: Diophant

Hallo Ladon,

vielen Dank für deine Rückmeldung! Mich interessiert eigentlich das Mengenlehre-Zeugs nicht so sehr, sondern der ganze Rest. Von daher erscheint mir der Aufsatz (oder was ist es?) von David Klein sehr interessant. Leider funktioniert der Link nicht mehr.

Z.B. beschäftigt man sich ja in den USA teilweise recht früh mit unendlichen Reihen. Dies wäre ein Beispiel, wo ich eben gerne etwas über den Zusammenhang zu den New-Math-Ideen herausfinden würde. Das ist jetzt nur ein Beispiel, es fiel mir ein, da ich vor Jahren mal Schüler aus der Internationalen Schule in Stuttgart in der Nachhilfe hatte, dort wird nach irgendeinem amerikanischen Lehrplan unterrichtet.

Was auch noch interassant wäre, sind diese zwei, drei populärwissenschftlichen Bücher von Serge Lang, die muss ich mal noch organisieren (auf die habe ich leihweise Zugriff). Eigentlich ist es genau das, was mich gerade interessiert: die Faszination, die Serge Lang mit einer ganz einfachen Sprache zu entfachen vermochte, über deren Ursachen ich mir aber noch nicht so ganz klar bin. Eines meiner absoluten Lieblingsbücher in der Mathematik ist bis heute sein Werk Algebraische Strukturen, welches ich dann und wann einfach mal aufschlage, um ein paar Seiten darin zu lesen und mich an dieser klaren Gedanken-Welt zu erfreuen...


Gruß, Diophant

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