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Rolle der Menschen in der Gesc: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 17:47 Di 09.05.2006
Autor: Arianne

Aufgabe
Machen die Menschen ihre Geschichte oder lassen sie sie über sich ergehehen?

Ich hab mir über das Thema schon ein bisschen nachgedacht und hatte zum Beispiel vor als erste Partie erst einmal die ganz naive Annahme eines jeden zu bearbeiten: der Mensch als bewusstes Wesen, der aktiv handelt und seine Entscheidungen trifft (->Sartre?) Und sind es für Marx nicht auch die Menschen die aktiv ihre Geschichte machen?
Aber wie kann man eigentlich etwas "machen" was schon längst vergangen ist? Historiker? Foucault?
Spricht das "über sich ergehen lassen " die Affekte an?
Ich wäre echt dankbar für eine kleine Hilfestellung.

Ich habe diese Frage in keinem Forum auf anderen Internetseiten gestellt.

        
Bezug
Rolle der Menschen in der Gesc: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 21:04 Di 09.05.2006
Autor: laryllan

Hallo Arianne,

Gerade über dieses Thema gibt es eine Vielzahl von verschiedenen 'Zugängen zu Geschichte'.

Im Folgenden will ich dir - denn alles andere würde gewiss den Rahmen sprengen - einen kleinen Ausblick geben, wie 'Menschen Geschichte machen können' bzw. welche Theorie-Zugänge möglich sind.

Einmal gäbe es da die sog. 'Schule der Annales'. Sie geht (auch wegweisend für z.B. die Strukturgeschichte) davon aus, dass menschliches Handeln auch von seinem geographischen Umfeld und den natürlichen Gegebenheiten abhängig ist - das Leben an der Küste entwickelt sich anders als im Gebirge etc.

Hierbei gibt es einen Literaturtipp, den ich sehr gerne weitergebe:

Fernard Braudel, La méditerranée (auf deutsch heißt es wohl 'Das Mittelmeerbuch'). Stilistisch auch in der deutschen Übersetzung sehr schön geschrieben, und durchaus lesbar.


Marx hattest du bereits angesprochen. Hier empfielt sich ein Blick in das 'Manifest der kommunistischen Partei'. Bei Marx steht das Handeln der Individuen (Mensch steht im Stoffwechsel mit der Natur) im Sinne seines historischen Materialismus im Vordergrund. Dabei postuliert er eine Einheit von Natur, (materieller) Geschichte und Ökonomie. Für seine Philosophie ist eine starke Anbindung an ein handelndes Moment unabdingbar. Wichtig ist, dass das Handeln nicht 'losgelöst' von jedweder Theorie betrachtet wird (Marx selbst sagte, dass jede Bewegung einer Theorie bedürfe). - Zudem ist Marxs Geschichtsschreibung thelleologisch, also auf ein Endziel (die Überwindung aller Klassen im Komunismus) ausgerichtet.
Wichtig bei Marx ist die Dialektik - eine Analyse die durch das Betrachten von Thesen und Antithesen zu gesellschaftlichen Phänomenen und Missständen etwas produktives, neues schafft.

Vor Marx gibt es beispielsweise Hegel (samt Schülern wie Feuerbach usw.), die Marx kritisiert. Der Hegelsche Ansatz ist: alles Bestehende ist aus einer Notwendigkeit heraus entstanden und demnach in seiner Art 'vernünftig'.

Ansonsten gibt es ja so berühmte Sätze wie "Männer machen Geschichte" wie sie bspw. dem Historismus nicht fremd sind (Vertreter wie Ranke wären da zu nennen).

In meinem Geschichtsunterricht lehrte man mich noch eine vermeintliche Objektivität anzustreben. Das ist derweil mehr als 'out' (auch wenn es so weit nicht zurück liegt). Geschichte hat - da jeder Mensch der sich mit ihr beschäftigt - immer einen subjektiven Einschlag, den es auch stets zu berücksichtigen gilt.

Geschichte ist sicher nicht beliebig konstruierbar, aber in bestimmten Bereichen ist auch das Arbeiten mit Quellen voller Vorsicht zu genießen.

Ich weiß nicht, ob dich das wirklich weiterbringt, aber ich kann dich trösten:

Während meines Studiums habe ich ettliche Theorien und Ansätze kennengelernt. Geschichte ist - je nach Theorie - immer von Menschen gemacht - sei es aktiv in ihrem Handeln oder von Theoretikern 'aufgeschlüsselt'.

Es ist sehr interessant sich mit diesen verschiedenen Blickwinkeln auseinanderzusetzen, weil es die eigene Auffassungsgabe schärft.

Auch private Diskussionen zu dem Thema sind stehts sehr fruchtbar, aber unersättlich.

Namárie,
sagt ein Lary, wo hofft, dass dir das was hilft

Bezug
                
Bezug
Rolle der Menschen in der Gesc: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 20:53 Mi 10.05.2006
Autor: Arianne

Vielen Dank Lary für deine ausführlichen Erläterungen und die Hinweise!!!

Bezug
                        
Bezug
Rolle der Menschen in der Gesc: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 22:05 Mi 10.05.2006
Autor: laryllan

Abermals ein kurzes 'Hallo' :)

Ich habe mal rasch geschaut und dir folgenden Artikel rausgesucht:

'Dichte Beschreibung. Bemerkungen zu einer deutenden Theorie vin Kultur' zu finden in: Geertz, Clifford: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme Frankfurt Main. 2003, S. 7 - 43.

Der Artikel beschäftigt sich damit, wie "beliebig" Kultur und Geschichte sind und welche Rolle der Mensch und seine Blickwinkel dabei spielen. Anhang des Begriffs 'Kultur' werden verschiedene Geschichtstheorien (Behavourismus, Konstruktivismus usw.) abgehandelt und an recht amüsanten Beispielen verdeutlicht. - Ein Text der sich rasant liest!

Wenn du es lieber etwas 'philosophische' magst empfehle ich dir Susanne Langer's 'Philosophie auf neuen Wegen'.

Namárie,
sagt ein Lary, wo hofft, dass dich das weiter bringt

P.S.: Diese Mitteilung stand irrtümlicherweise in dem Thread weiter unten; der Threadersteller weiter unten bekommt sogleich den für ihn passenden Literaturtipp :)

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