Supremum/Infimum < Folgen und Reihen < eindimensional < reell < Analysis < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 21:41 Di 09.03.2010 | Autor: | melisa1 |
Hallo,
ich lerne gerade für meine erste Ana-Klausur und bin jetzt bei Punktmengen angekommen. Hier versteh ich nicht genau, wie man nachweisen kann, was das sup. bzw. inf. ist. Was das Supremum (kleinste obere Schranke) und Infimum(größte untere Schranke) ist, ist mir klar nur nicht, wie man diese konkret bestimmt.
Ich bedanke mich im voraus für jede hilfreiche Antwort.
Lg Melisa
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(Antwort) fertig | Datum: | 23:34 Di 09.03.2010 | Autor: | Marcel |
Hallo,
ich empfehle Dir dazu Literatur, z.B. Heuser, Lehrbuch der Analysis.
Es gibt einige Methoden. Eine ganz einfache Methode ist die [mm] $\varepsilon$-Strategie. [/mm] Ein einfaches Beispiel dazu:
Ich behaupte:
Für [mm] $M=\{1+1/n: n \in \IN\}$ [/mm] gilt [mm] $\text{inf}M=1\,.$
[/mm]
Beweis:
1. Ich zeige: [mm] $I=1\,$ [/mm] ist untere Schranke, d.h. es gilt $m [mm] \ge [/mm] 1$ für alle $m [mm] \in M\,.$
[/mm]
Ist nämlich $m [mm] \in [/mm] M,$ so gibt es nach Definition von [mm] $M\,$ [/mm] ein $n [mm] \in \IN$ [/mm] so, dass wir schreiben können:
[mm] $$m=1+\frac{1}{n}\,.$$
[/mm]
Dann gilt aber schon [mm] $m=1+\frac{1}{n} \ge [/mm] 1$ wegen [mm] $\frac{1}{n} \ge 0\,.$
[/mm]
2. Wir zeigen: Es gibt keine größere untere Schranke. Angenommen, es gäbe doch eine größere untere Schranke. Dann können wir diese schreiben als [mm] $1+\varepsilon$ [/mm] (i.a. [mm] $I+\varepsilon$), [/mm] wobei [mm] $\varepsilon [/mm] > 0$ ist.
Weil nun [mm] $1+\varepsilon$ [/mm] auch untere Schranke von [mm] $M\,$ [/mm] sein soll, muss somit nach Definition von [mm] $M\,$ [/mm] gelten:
Für jedes $n [mm] \in \IN$ [/mm] ist
[mm] $$1+\frac{1}{n} \ge 1+\varepsilon\,.$$
[/mm]
Das bedeutet aber
[mm] $$(\star)\;\;\; \frac{1}{n} \ge \varepsilon \text{ für jedes }n \in \IN\,.$$
[/mm]
Nun strebt aber die Folge [mm] $\left(\frac{1}{n}\right)_{n \in \IN}$ [/mm] gegen [mm] $0\,$ [/mm] bei $n [mm] \to \infty$. [/mm] Das steht aber im Widerspruch zu [mm] $(\star)\,.$ [/mm] Also kann [mm] $1+\varepsilon$, [/mm] wenn nur [mm] $\varepsilon [/mm] > 0$ ist, keine untere Schranke von [mm] $M\,$ [/mm] sein.
Jetzt gebe ich Dir eine schöne Charakterisierung, wie man das behauptete Infimum einer Menge (von reellen Zahlen) mithilfe von Folgen nachweisen kann.
Sei $M [mm] \subset \IR$ [/mm] nach unten beschränkt. Wegen der Vollständigkeit von [mm] $\IR$ [/mm] existiert dann jedenfalls [mm] $\text{inf}M\,.$ [/mm] Nun gilt:
Es ist [mm] $I=\text{inf} [/mm] M [mm] (\in \IR)$ [/mm] genau dann, wenn folgende zwei Bedingungen gelten:
1.) Für jedes $m [mm] \in [/mm] M$ ist $I [mm] \le [/mm] m$ (d.h. [mm] $I\,$ [/mm] ist untere Schranke für [mm] $M\,$). [/mm]
2.) Es existiert eine Folge [mm] $(m_n)_{n \in \IN}$ [/mm] in [mm] $M\,$ [/mm] (d.h. [mm] $m_n \in \IN$ [/mm] für jedes $n [mm] \in \IN$) [/mm] so, dass [mm] $m_n \to I\,.$
[/mm]
Zum Beweis dieses Satzes:
[mm] "$\Rightarrow$" [/mm] Wenn [mm] $I=\text{inf}M$ [/mm] gilt, so ist 1.) klar. Ferner ist [mm] $I\,$ [/mm] die größte untere Schranke. Somit:
Zu jedem [mm] $\varepsilon [/mm] > 0$ findet man [mm] $m_n \in [/mm] M$ mit [mm] $m_n \le I+\varepsilon\,.$ [/mm] (Sonst wäre ja [mm] $I+\varepsilon$ [/mm] eine größere untere Schranke für [mm] $M\,$.) [/mm] Betrachte für $n [mm] \in \IN$ [/mm] speziell [mm] $\varepsilon:=1/n [/mm] > 0$ und dazu ein konkret gewähltes [mm] $m_n \in [/mm] M$ mit [mm] $m_n \le I+\varepsilon=I+\frac{1}{n}\,.$ [/mm] Dann gilt für jedes $n [mm] \in \IN$, [/mm] weil [mm] $I=\text{inf}M$ [/mm] ist und wegen der Wahl von [mm] $m_n$:
[/mm]
$$I [mm] \le m_n \le I+\frac{1}{n}\,.$$
[/mm]
Somit folgt [mm] $m_n \to I\,.$
[/mm]
[mm] "$\Leftarrow$" [/mm] Gelte nun 1.) und 2.). Erfülle nun [mm] $I\,$ [/mm] sowohl 1.) als auch 2.) und wir zeigen, dass [mm] $I=\text{inf}M$ [/mm] ist.
Wegen 1.) ist jedenfalls [mm] $I\,$ [/mm] eine untere Schranke von [mm] $M\,.$ [/mm] Angenommen, es gäbe eine größere untere Schranke für [mm] $M\,.$ [/mm] Diese heiße [mm] $\tilde{I}\,.$ [/mm] Wegen [mm] $\tilde{I} [/mm] > I$ ist dann [mm] $\tilde{I}=I+\varepsilon$ [/mm] mit einem [mm] $\varepsilon [/mm] > [mm] 0\,.$ [/mm] Seien nun [mm] $m_n \in [/mm] M$ mit [mm] $m_n \to [/mm] I$ ($n [mm] \to \infty$). [/mm] Dann finden wir, nach Definition des Begriffes Grenzwert, zu [mm] $\varepsilon=\tilde{I}-I [/mm] > 0$ ein $N [mm] \in \IN$, [/mm] so dass [mm] $|m_n-I| [/mm] < [mm] \varepsilon$ [/mm] für alle $n [mm] \ge N\,.$ [/mm] Insbesondere ist also
[mm] $$|m_N-I| [/mm] < [mm] \varepsilon,$$
[/mm]
[mm] $I\,$ [/mm] war untere Schranke von [mm] $M\,$ [/mm] und es war [mm] $m_N \in [/mm] M,$ also ist
[mm] $$|m_N-I|=m_N-I\,.$$
[/mm]
Aus
[mm] $$|m_N-I| [/mm] < [mm] \varepsilon$$
[/mm]
folgt also
[mm] $$m_N-I [/mm] < [mm] \varepsilon$$
[/mm]
bzw.
[mm] $$m_N [/mm] < [mm] I+\varepsilon$$
[/mm]
bzw.
[mm] $$(\star_1)\;\;m_N [/mm] < [mm] \tilde{I\,.}$$
[/mm]
Wegen [mm] $m_N \in [/mm] M$ und der Annahme, dass [mm] $\tilde{I}$ [/mm] untere Schranke von $M$ sei, müßte aber insbesondere [mm] $m_N \ge \tilde{I}$ [/mm] gelten, im Widerspruch zu [mm] $(\star_1)\,.$ $\hfill \square$
[/mm]
Wie hilft uns das z.B. oben? Bei [mm] $M=\{1+1/n: n \in \IN\}$:
[/mm]
Klar ist, dass $1 [mm] \le [/mm] 1+1/n$ für jedes $n [mm] \in \IN\,.$ [/mm] Also ist 1.) erfüllt. Zudem ist die Folge [mm] $(m_n)_n$ [/mm] mit
[mm] $$m_n:=1+1/n\;\;(n \in \IN)$$
[/mm]
eine Folge in [mm] $M\,$, [/mm] die gegen [mm] $1\,$ [/mm] konvergiert. Also ist, wegen [mm] $\Leftarrow$ [/mm] in dem Charakterisierungssatz (1.) und 2.) sind ja für [mm] $I=1\,$ [/mm] erfüllt), somit [mm] $\text{inf}M=1\,.$
[/mm]
Ein weiteres Beispiel:
Betrachte z.B.
[mm] $$M=\{1-(1+1/n)^n,\;1-1/n,1+2n:\;\; n \in \IN\}$$.
[/mm]
Hier ist [mm] $\text{inf}M=1-e\,.$ [/mm] Denn:
[mm] $(1+1/n)^n \to [/mm] e$ und [mm] $((1+1/n)^n)_{n \in \IN}$ [/mm] ist streng monoton wachsend gegen [mm] $e\,.$ [/mm] Somit ist jedenfalls $1-e < [mm] 1-(1+1/n)^n$ [/mm] ($n [mm] \in \IN$). [/mm] Ferner
[mm] $$1-(1+1/n)^n [/mm] < 1-1/n$$
[mm] $$\gdw [/mm] 1/n < [mm] (1+1/n)^n\,.$$
[/mm]
Nun ist aber [mm] $(1+1/n)^n \ge 1+n*\frac{1}{n}=2$ [/mm] klar, also gilt
[mm] $$(1+1/n)^n \ge [/mm] 2 > [mm] 1/n\,.$$
[/mm]
Damit gilt
[mm] $$1-(1+1/n)^n [/mm] < 1-1/n$$
und wegen
$$1-e < [mm] 1-(1+1/n)^n$$ [/mm] folgt
$$1-e < 1-1/n$$
für jedes [mm] $n\,.$ [/mm] Dass $1-e < 1+2n$ ist, ist auch klar. Also ist $1-e$ untere Schranke von [mm] $M\,.$
[/mm]
Zudem:
Wegen [mm] $(1+1/n)^n \to [/mm] e$ gilt
[mm] $$m_n:=1-(1+1/n)^n \to 1-e\,,$$
[/mm]
und hier sind alle [mm] $m_n \in M\,.$ [/mm] Also ist auch 2.) erfüllt:
Es gibt eine Folge [mm] $(m_n)_n$ [/mm] in [mm] $M\,$ [/mm] (nämlich gerade [mm] $m_n:=1-(1+1/n)^n$ [/mm] ($n [mm] \in \IN$)) [/mm] mit [mm] $m_n \to 1-e\,.$
[/mm]
Also gilt
[mm] $$I=1-e=\text{inf}M\,.$$
[/mm]
P.S.:
Charakterisierung für das Supremum:
Sei $M [mm] \subset \IR$ [/mm] nach oben beschränkt. Dann gilt:
Es ist [mm] $S=\text{sup}M$
[/mm]
[mm] $$\gdw$$
[/mm]
Es gelten die folgenden zwei Bedingungen:
I.) $m [mm] \le [/mm] S$ für alle $m [mm] \in [/mm] M$ (d.h. [mm] $S\,$ [/mm] ist obere Schranke von [mm] $M\,$).
[/mm]
II.) Es gibt eine Folge [mm] $(a_n)_{n \in \IN}$ [/mm] in [mm] $M\,$ [/mm] (also alle [mm] $a_n \in [/mm] M$) mit [mm] $a_n \to S\,.$
[/mm]
Speziell z.B. für [mm] $M=\{3,\;1-(1+1/n)^n,\;1-1/n,1-2n:\;\; n \in \IN\}$:
[/mm]
Hier ist $3 [mm] \ge [/mm] m$ für jedes $m [mm] \in M\,.$ [/mm] Ist nämlich $m [mm] \in [/mm] M$, so kann man schreiben:
$m=3$
oder
[mm] $m=1-(1+1/n)^n$
[/mm]
oder
$m=1-1/n$
oder
[mm] $m=1-2n\,,$ [/mm] mit einem $n [mm] \in \IN.$
[/mm]
Bei einer jeden solche Darstellung ist offenbar $m [mm] \le 3\,.$ [/mm] Weiter:
Es war $3 [mm] \in M\,.$ [/mm] Setze für jedes $n [mm] \in \IN$ [/mm] nun
[mm] $$a_n:=3\,.$$
[/mm]
Dann ist jedes [mm] $a_n \in [/mm] M$ und es gilt [mm] $a_n \to 3\,.$ [/mm] Also gelten I.) und II.) für [mm] $S=3\,.$
[/mm]
Gruß,
Marcel
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(Antwort) fertig | Datum: | 23:51 Di 09.03.2010 | Autor: | rainerS |
Hallo Melisa!
> ich lerne gerade für meine erste Ana-Klausur und bin jetzt
> bei Punktmengen angekommen. Hier versteh ich nicht genau,
> wie man nachweisen kann, was das sup. bzw. inf. ist. Was
> das Supremum (kleinste obere Schranke) und Infimum(größte
> untere Schranke) ist, ist mir klar nur nicht, wie man diese
> konkret bestimmt.
>
> Ich bedanke mich im voraus für jede hilfreiche Antwort.
Noch ein Nachtrag zu Marcel's ausführlicher Antwort:
Häufig hilft es, wenn du dir die Menge, deren Infimum oder Supremum du bestimmen sollst, vorstellst oder aufmalst. Um bei dem Beispiel
[mm] M=\{1+1/n: n \in \IN\} [/mm]
zu bleiben: explizit besteht diese Menge aus den Zahlen
[mm] \{2; \bruch{3}{2}; \bruch{4}{3}; \bruch{5}{4}; \bruch{6}{5}; \bruch{7}{6}; \bruch{8}{7}; \dots \} [/mm]
Offensichtlich sind alle diese Zahlen größer als 1; 1 ist also eine untere Schranke. Andererseits nähert sich die Folge der Zahlen immer mehr der 1, daher liegt die Vermutung nahe, dass 1 die größte untere Schranke ist. Nun kannst du mit der [mm] $\varepsilon$-Strategie [/mm] weitermachen.
Viele Grüße
Rainer
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