System mit Totzeit analysieren < Regelungstechnik < Ingenieurwiss. < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 14:27 Do 08.03.2012 | Autor: | Time |
Hallo zusammen!
Ich möchte ein System betrachten, welches eine Totzeit enthält.
Bei diesem System interessiert mich jetzt auch wie gut es gedämpft ist, bzw ob es überschwingt.
Jetzt stehe ich vor dem Problem, dass ich ein System mit Totzeit zwar im Frequenz bereich analysieren kann, zb. im Bode-Diagramm, aber da kann ich ja nicht die Dämpfung bzw. das Schwingungsverhalten erkennen. Andererseits könnte man z.b. in einem Pol-Nullstellen-Diagramm die Schwingungseigenschaften des Systems sehr gut sehen. Aber hier können Totzeiten nicht berücksichtigt werden.
Jetzt könnte ich mir natürlich z.B. für ganz viele Verstärkungen mir die Sprungantworten plotten, und gucken wann mir die Eigenschaften ungefähr passen, aber eine saubere Lösung ist das ja nicht.
Hat jemand mit sowas Erfahrung oder ein paar Tipps, bzw. gibt es da irgendeine Möglichkeit die keine Padeapproximation beinhaltet? Weil damit kenne ich mich nicht wirklich aus, und weiß nicht, was ich dabei beachten müsste, bzw. welche anderen Nachteile das wieder mit sich bringen würde.
Gruß,
Time
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(Antwort) fertig | Datum: | 12:25 So 11.03.2012 | Autor: | Infinit |
Hallo Time,
solch ein System zu optimieren, ist immer recht kritisch, da Totzeiten nei den Verfahren im Frequenzbereich nicht abbildbar sind, z.B. beim Arbeiten mit Wurzelortskurven.
Ich kenne keinen Königsweg, um so etwas nur in einem Bereich sauber zu lösen und so wird Dir wohl nur übrigbleiben, was Du selbst schon angedeutet hast, nämlich das Hin- und Herspringen zwischen Frequenz- und Zeitbereich, um erkennen, in welche Richtung Du die Parameter verschieben musst, um beispielsweise das Überschwingen zu verringern.
Viele Grüße,
Infinit
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 12:58 Mo 12.03.2012 | Autor: | Time |
Danke für die Antwort!
Jetzt kann ich wenigstens guten Gewissens das Systeme eben mit verschiedenen Methoden betrachten, ohne immer zu denken, dass es vielleicht doch einen viel besseren Weg gegeben hätte.
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(Frage) beantwortet | Datum: | 22:36 Mi 14.03.2012 | Autor: | Time |
Jetzt hätte ich doch nochmal eine Frage zum Schwingungsverhalten von Systemen mit Totzeit.
Kann es sein, dass wenn der Open Loop eine Totzeit enthält, der Closed Loop immer (über)schwingt, auch wenn das System sonst nicht schwingen würde? Ein Beispiel wäre ein I-Glied mit Totzeit als Open Loop.
Das Problem ist, ich werde bei kleinen Totzeiten aus der Sprungantwort nicht so ganz schlau.
Intuitiv würde ich sagen, das macht Sinn mit dem Überschwingen. Kann jetzt aber nicht wirklich erkennen, ob das auch so ist (wenn auch nur ganz geringfügig), oder ob es sich vielleicht doch nur um numerische Fehler handelt.
Am besten wäre natürlich, wenn jemand dafür auch eine Begründung, einen Beweis (muss auch nicht zu mathematisch sein) oder einfach nur eine Quelle hat, wo man das mal nachlesen könnte, habe dazu nichts gefunden.
Danke,
Time
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(Antwort) fertig | Datum: | 17:17 Do 15.03.2012 | Autor: | Infinit |
Hallo Time,
Dein RK besteht ja nicht nur aus einem Totzeitglied, und so kommt es auf das Zusammenspiel der anderen Glieder mit dem Totzeitglied an. Was man auf jeden Fall sagen kann, ist, dass ein Totzeitglied für einen Regelkreis destabilisierend wirkt. Dies heisst aber nicht unbedingt, dass der Regelkreis komplett instabil wird, aber stabiler wird er auf jeden Fall nicht.
Viele Grüße,
Infinit
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(Frage) beantwortet | Datum: | 18:19 Do 15.03.2012 | Autor: | Time |
Erstmal Danke für die Antwort!
Dass Totzeiten destabilisierend wirken war mir bewusst.
Was ich mir allerdings genau frage ist, ob ein System aufgrund einer Totzeit zb. bei einer Sprungantwort IMMER überschwingt. Mit Überschwingen meinte ich nicht, dass es sich aufschwingt, sondern lediglich, dass es schwingend den Stationärwert einnimmt. Auch wenn das Verhalten der Strecke ohne die Totzeit keinen Überschwinger hat.
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(Antwort) fertig | Datum: | 18:36 Do 15.03.2012 | Autor: | Infinit |
Hallo time,
dazu lässt sich ohne eine genauere Analyse leider nichts groß sagen. Eine Sache ist klar, Du brauchst in der Übertragungsfunktion eine schwingfähige Größe, also mindestens eine Funktion in [mm] s^2 [/mm] und dann hängt es von den Parametern ab, welche Art von Schwingung hierbei auftreten kann. Ein asymptotisches Herankriechen an den Endwert, ein einmaliges Überschwingen mit Annäherung von "oben" oder wirklich Schwingungen mit einer Eigenfrequenz, wobei die Einhüllende immer kleiner wird. Dies sind die klassischen Schwingungsfälle, die Du wahrscheinlich aus der physikalischen Schwingungslehre bereits kennst. Es hängt wie gesagt vom Zusammenspiel der Parameter ab und es kann duchaus sein, dass ein System ohne Totzeit keine Überschwinger produziert, dies aber beim Einfügen einer Totzeit auftritt.
Viele Früße,
Infinit
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(Frage) beantwortet | Datum: | 18:46 Do 15.03.2012 | Autor: | Time |
Hallo Infinit,
das stimmt so nicht ganz. Auch eine einfach integrierendes System kann mit Totzeit schwingen.
Bei einem I-Glied mit einer Totzeit von beispielsweise 1 überschwingt die Sprungantwort des Closed Loops ganz deutlich.
Daher halt auch meine ursprüngliche Frage, ob durch Totzeiten JEDES System schwingend den Stationärwert annimmt.
Gruß
Time
PS: Zu dem Annähern von oben, das ist doch m.W. nur durch Nullstellen möglich, oder liege ich da falsch?
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(Antwort) fertig | Datum: | 19:01 Do 15.03.2012 | Autor: | Infinit |
Hallo Time,
da gebe ich Dir recht, auch die Kombination eines I-Glieds mit einem Totzeitglied kann schon zu Schwingungen führen, die Gesamtfunktion hat auf jeden Fall Terme mit [mm] s^2 [/mm] und größer drin. Eine Darstellung einer klassischen Übertragungsfunktion mit Zähler- und Nennerpolynom ist hier nicht mehr möglich, da die Variable s ja im Exponenten auftaucht bei einem Totzeitglied, also als
[mm] G(s) = e^{-s T_t} [/mm] und die Entwicklung solch einer e-Funktion in eine Polynomdarstellung führt zu einer unendlichen Reihe. Insofern würde ich Dir Recht geben, dass hierbei immer etwas Schwingfähiges möglich ist, ob es sich auch so auswirkt, hängt von der Wahl der Parameter ab.
Viele Grüße,
Infinit
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(Frage) beantwortet | Datum: | 19:57 Do 15.03.2012 | Autor: | Time |
Hallo Infinit,
die Idee sich das ganze als Reihenentwicklung vorzustellen war echt gut.
Ich habe da jetzt mal ein bisschen drüber nachgedacht.
Aber wenn ich jetzt eine Reihenentwicklung machen würde, würden alle s im Zähler stehen, daher hätte ich unendlich viele Nullstellen, aber möglicherweise trotzdem nur eine Polstelle, und das System würde ja trotzdem schwingen.
Wären das dann quasi die unendlich vielen Nullstellen, die jeweils einfache Überschwinger verursachen, aber da es ja ganz viele sind unendlich lange schwingen?
Das wiederum würde dann ja auch bedeuten, das tatsächlich jedes System mit Totzeit schwingt.
Gruß,
Time
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(Antwort) fertig | Datum: | 18:27 Fr 16.03.2012 | Autor: | Infinit |
Hallo Time,
da hast Du in Deiner Argumentation einen kleinen Denkfehler drin, denn es geht ja um die Stabilität des Regelkreises.
Mit einem Vorwärtszweig im Regelkreis mit V(s) und der Rückkopplung R(s) bekommst Du doch als Führungsübertragungsfunktion die Größe
[mm] G(s) = \bruch{V(s)}{1+V(s) R(s)} [/mm]
Dies ist doch gerade der Grund, weswegen Du aus der Übertragungsfunkion des offenen Regelkreises, - [mm] V(s) \cdot R(s) [/mm] -, auf die Stabilität des geschlossenen schließen darfst. Du siehst, diese Größen tauchen im Nenner auf und können deswegen zu Instabilitäten im Regelkreisverhalten führen. Es sind die Polstellen, die hier Ärger machen. Eine Nullstelle ist da weit harmloser.
Viele Grüße,
Infinit
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 19:43 Sa 17.03.2012 | Autor: | Time |
Oha. Das stimmt selbstverständlich. Hab fälschlicherweise jetzt nur den Open Loop betrachtet.
Da ichs doch immer ein bisschen genauer wissen will, habe ich jetzt einfach mal eine abbrechende Reihenentwicklung betrachtet. Und aus der Reihenentwicklung ergeben sich dann ganz viele komplex konjugierte Nullstellen, bzw. im Closed Loop dann komplex konjugierte Nullstellen, was das Schwingen erklären würde.
Ich nehme jetzt mal ganz unmathematisch an, dass sich auch bei einer unendlichen Reihe auch unendlich viele komplex konjugierte Pole ergeben, und diese auch nicht irgendwie kompensiert werden können, und schließe daraus für meine Ursprungsfrage, dass der Closed Loop von Totzeitsystemen immer ein schwingendes Verhalten hat.
Sollte es jemand besser wissen, belehrt mich bitte =)
Ansonsten sehe ich die Frage jetzt mal als beantwortet.
Danke auf jeden Fall für die vielen Tipps und Hinweise.
Gruß,
Time
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