Unendlichkeitsbegriff < Folgen+Grenzwerte < Analysis < Oberstufe < Schule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 00:11 Sa 10.09.2011 | Autor: | tinakru |
Aufgabe | Hallo zusammen,
ich hatte letztens eine Praktikumsstunde im Rahmen meines Lehrmatsstudiums.
Es war Geometrieunterricht und es wurden Geraden behandelt.
Ich sage zu den Schülern ihr müsst euch eine Gerade so vorstellen, dass sie links und rechts unendlich weiter geht. Daraufhin meldete sich eine Schülerin und sagte dies sei falsch, denn:
"Die Gerade geht links von meinem Heftrand raus, geht einmal um die Erde rum und kommmt von meinem rechten Heftrand wieder rein" |
Ich war ziemlich sprachlos über die Frage. Wahrscheinlich ist der Undenltichkeitsbegriff für einen Mathestudenten bereits Alltag, sodass man die Schüerprobleme nur noch schwer nachvollziehen kann.
Meine Frage: Was sollte man am besten auf diese Frage antworten?
Vielen Dank
LG
Tina
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(Antwort) fertig | Datum: | 00:17 Sa 10.09.2011 | Autor: | M.Rex |
Hallo
Das "Wiederkommen" beinhaltet eine Rückkehr, und das erreicht man nur, wenn man irgendwann einmal die Richtugn geändert hat. Und genau diese tut die Gerade eben nicht.
Als aunschauliches Beispiel kann man den Laserstrahl, der ins Weltall geschossen wird erwähnen.
Marius
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Hallo Tina,
schön, dass das geozentrische (und damit auch sphärische) Weltbild nicht nur Fortschritt der Wissenschaftsgeschichte, sondern auch echtes Denkmodell geworden ist. Deine Schülerin verdient schon dewswegen Lob.
Ihre Gerade verläuft auf der vollkommen kugelförmig gedachten Erdoberfläche, also der 3-Sphäre. Dies wäre ein wundervoller Einstieg in nicht-euklidische Geometrien. Welche Auswirkungen hat das Parallelenaxiom auf unsere Weltsicht? Wie definiert man eine Gerade? In einer sphärischen Geometrie liegt der kürzeste Abstand zwischen zwei Punkten auf einen Großkreis, und genau auf diesem ist auch das Heft der Schülerin platziert. Dafür gibt es keine Parallelen.
Für all das hast Du an der Schule keine Zeit, und ein kurzer Hinweis auf die Existenz nicht-euklidischer Geometrien wird die SuS eher verwirren als ihnen eine neue Einsicht vermitteln. Dabei ist gerade der Widerspruch Deiner Schülerin ein wundervolles Eintrittstor in diese fremde Welt mit ihren mathematischen und philosophischen Implikationen.
Wenn ihr vielleicht einen schönen Kraftwerkskühlturm in der Nähe habt, könntet ihr eine mathematische Exkursion unternehmen. Wir haben hier einen Aussichtsturm (und einen weitern in ca. 60km Entfernung), der sehr schön verdeutlicht, wie man eine hyperbolische Geometrie konstruieren kann, auch wenn die sichtbaren Geraden eigentlich nur auf einem Rotationshyperboloid existieren/liegen.
Auch in die Mathematikgeschichte könnte man hier schön einsteigen, sich mit Lobatschewski beschäftigen, oder natürlich Euklid, oder Russell und Whitehead. Und vielleicht auch noch Gödel...
Und schließlich zur Frage: was sollte man antworten? Ich würde vielleicht nur die nötige Andeutung machen - Deine Frage gründet auf heute gängigem Allgemeinwissen, aber es ist nicht so lange her, da hätte sie eine neue, unbekannte Welt eröffnet.
Scheue Dich nie vor den philosophischen Implikationen der Mathematik, sonst glauben Deine SuS womöglich, Mathematik sei die Wahrheit, und nicht nur das vollkommen durchdachte Konstrukt eines vermeintlich widerspruchsfreien Axiomensystems, das eine ganze Geisteswelt eröffnet, und jede Änderung eines Axioms womöglich ein neues Universum erschließt.
Grüße
reverend
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 01:16 Sa 10.09.2011 | Autor: | tinakru |
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten! Du hast Recht, an die nicht-euklidischen Geometrien habe ich bei dieser Frage noch gar nicht gedacht!
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> Es war Geometrieunterricht und es wurden Geraden
> behandelt.
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> Ich sage zu den Schülern ihr müsst euch eine Gerade so
> vorstellen, dass sie links und rechts unendlich weiter
> geht. Daraufhin meldete sich eine Schülerin und sagte dies
> sei falsch, denn:
>
> "Die Gerade geht links von meinem Heftrand raus, geht
> einmal um die Erde rum und kommt von meinem rechten
> Heftrand wieder rein"
> Ich war ziemlich sprachlos über die Frage. Wahrscheinlich
> ist der Unendlichkeitsbegriff für einen Mathestudenten
> bereits Alltag, sodass man die Schüerprobleme nur noch
> schwer nachvollziehen kann.
>
> Meine Frage: Was sollte man am besten auf diese Frage
> antworten?
Hallo Tina,
man könnte auf die Idee eingehen und den Ratschlag geben,
eine zweite Gerade einzuzeichnen (bzw. auf dem Heftblatt
anzudeuten), welche die erste kreuzt (z.B. rechtwinklig, aber
dies ist nebensächlich). Dann die Rückfrage betr. Schnittpunkte
der beiden "Geraden". Eine weitere Diskussion betr. Euklidische
Axiome (bzw. "Postulate") könnte sich (in einer anderen Lektion)
daran anschließen.
LG Al-Chw.
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