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Forum "Statistik/Hypothesentests" - Wahl Nullhypothese
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Wahl Nullhypothese: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 14:42 Sa 21.10.2017
Autor: rubi

Hallo zusammen,

in einem Übungsbuch zu Hypothesentests habe ich folgendes gelesen:
Ein Pharmakonzern entwickelt ein neues Medikament, das nicht auf den Markt kommt, wenn in Tierversuchen in mindestens 3 % aller Fälle Nebenwirkungen auftreten.

Nun soll ein einseitiger Hypothesentest aufgebaut werden.

1.Fall [mm] H_0: [/mm] p >= 0,03  und [mm] H_1: [/mm] p < 0,03
2.Fall: [mm] H_0: [/mm] p <= 0,03 und [mm] H_1: [/mm] p > 0,03

In dem Übungsbuch steht nun, dass der gewünschte Ausgang des Experiments in [mm] H_1 [/mm] zu stehen hat. Da der Pharmakonzern also p < 0,03 wünscht, wird er einen Hypothesentest gemäß Fall 1 durchführen.
Die Gegner des Konzerns werfen ihm wirtschaftliche Interessen vor und glauben, dass das Medikament in mehr als 3% aller Fälle Nebenwirkungen zeigt. Die Gegner möchten also die Medikamenteneinführung verhindern und wählen daher Fall 2 als Hypothesentest.

Nun zu meiner Frage:
Ich hätte dies genau anders herum gesehen.
Sicht Pharmakonzern: Konzern entscheidet sich für Fall 2
Im Fall 2 wird in der Nullhypothese unterstellt, dass p < = 0,03 ist.
Das heißt, dass von vorne herein die Behauptung aufgestellt wird, dass das Medikament ok ist. Und nur, wenn sich beim Test herausstellen sollte, dass deutlich mehr als 3% der Tiere Nebenwirkungen zeigen, wird das Medikament nicht eingeführt. Wenn also genau 3% der Tiere Nebenwirkungen im Test zeigen würden, bleibt es bei [mm] H_0 [/mm] und das Medikament wird eingeführt

Sicht Konzerngegner: Gegner entscheiden sich für Fall 1:
Im Fall 1 wird in der Nullhypothese unterstellt, dass p > = 0,03 ist.
Das heißt, dass von vorne herein die Behauptung aufgestellt wird, dass das Medikament schlecht ist. Und nur, wenn sich beim Test herausstellen sollte, dass deutlich weniger als 3% der Tiere Nebenwirkungen zeigen, wird das Medikament eingeführt. Wenn also genau 3% der Tiere Nebenwirkungen im Test zeigen würden, bleibt es bei [mm] H_0 [/mm] und das Medikament wird nicht eingeführt

Wenn der Konzern also das Medikament mit einer höheren Chance auf den Markt bringen möchte (aus rein wirtschaftlichen Interessen) muss er aus meiner Sicht Fall 2 wählen.

Ich bitte euch um Bescheid, ob ich oder das Übungsbuch hier falsch liegen.

Danke im voraus.

Viele Grüße
Rubi

Ich habe diese Frage in keinem anderen Forum gestellt.



        
Bezug
Wahl Nullhypothese: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 15:20 Sa 21.10.2017
Autor: Diophant

Hallo,

deine Frage hat etwas damit zu tun, wer in der Pflicht ist, etwas zu beweisen.

Ungetetestet darf das Medikament nicht auf den Markt (dem würde wohl jeder sofort zustimmen). Aber warum nicht? Weil man befürchten muss, dass die Möglichkeit besteht, dass es in mindestens 3% der Fälle zu Nebenwirkungen kommt.

Also sagt der Hersteller: 'wir versuchen, mit einer Wahrscheinlichkeit von [mm] \alpha=0.95 [/mm] zu beweisen, dass dies eintreten könnte'.

Wenn die Nullhypothese bestätigt wird ist der Fall klar. Wenn sie nicht bestätigt wird, dann kann man vom Gegenteil ausgehen, und das wäre hier die Tatsache, dass es in weniger als 3% der Fälle zu Nebenwirkungen kommt. Die richtige Alternativhypothese muss hier somit

p<0.03

heißen, so wie du es oben gemacht hast das hast du oben falsch gemacht.

Nachtrag: sorry, da hatte ich mich verlesen.

Es hat auch etwas mit den Begrifflichkeiten Fehler 1. bzw. 2. Art zu tun. Ein Fehler 1. Art liegt ja vor, wenn man die Nullhypothese fälschlicherweise verwirft. Das wäre hier der Fall, wenn fälschlicherweise die Unbedenklichkeit des Medikaments angenommen wird. Und da hat man jetzt den mathematischen Vorteil, dass die sog. Irrtumswahrscheinlichkeit (das ist die Wahrscheinlichkeit dafür, einen Fehler 1. Art zu begehen), stets kleiner als [mm] 1-\alpha [/mm] ist und somit hier kleiner als 5%. Man ist sich also - wählt man die Hypothesen so herum - sicher, mit welcher Wahrscheinlichkeit man sich irrt und kann so erst eine vernünftige Nutzen-Risiko-Analyse vornehmen.

Faustregel ist, dass immer das, was man auschließen möchte oder von was man die Wahrscheinlichkeit kennt bzw. voraussetzt, in die Nullhypothese gehört und somit dass, was man eigentlich zeigen möchte, zur Alternativhypothese wird.


Gruß, Diophant

Bezug
                
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Wahl Nullhypothese: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 16:00 Sa 21.10.2017
Autor: rubi

Hallo Diophant,

vielen Dank für deine Ausführungen.
Die Frage ist für mich, ob der Pharmakonzern unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten denn wirklich beweisen möchte, dass die Nebenwirkung kleiner 3% ist.

Als PATIENT möchte ich natürlich eine hohe Sicherheit haben, dass keine Nebenwirkungen  auftreten, und die habe ich ja nur wenn als Alternativhypothese p < 0,03 gewählt wird und der Test dann auch in den Ablehnungsbereich fällt. Es fällt aber nur dann in den Ablehnungsbereich, wenn im Versuch selbst deutlich weniger als 3% der Personen eine Nebenwirkung haben.  
Wenn bei n = 1000 Personen bei genau 30 Personen Nebenwirkungen auftreten würden, würde die Nullhypothese bestätigt, das heißt, das Medikament würde nicht eingeführt.


Aus Sicht des Konzerns (und das heißt für mich er möchte eine kurzfristige Gewinnmaximierung erreichen und hat daher das Ziel, dass das Medikament eingeführt wird und legt keinen Wert darauf, ob Nebenwirkungen auftreten *)).
Wenn ich die Annahme *) unterstelle ist es aber doch besser, wenn die Nullhypothese p <=0,03 gewählt wird, denn dann wird das Medikament dann eingeführt, wenn im Test die Anzahl der Personen mit einer Nebenwirkung nicht deutlich schlechter als 3% sind.
Wenn bei n = 1000 Personen genau 30 Personen Nebenwirkungen zeigen würden, würde die Nullhypothese bestätigt und das Medikament würde eingeführt.

Fazit:
Als Patient möchte ich nicht, dass bei 30 Nebenwirkungen das Medikament eingeführt wird.
Der Konzern möchte jedoch, dass das Medikament (koste es was es wolle) eingeführt wird, und möchte bei 30 Nebenwirkungen eine Einführung erreichen.

Vielleicht unterscheidet meine Annahme *) (rein kapitalistische Sicht des Konzerns) die Sicht zwischen dem Übungsbuch und mir ?

Viele Grüße
Rubi


Bezug
                        
Bezug
Wahl Nullhypothese: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 16:09 Sa 21.10.2017
Autor: Diophant

Hallo,

> Aus Sicht des Konzerns (und das heißt für mich er möchte
> eine kurzfristige Gewinnmaximierung erreichen und hat daher
> das Ziel, dass das Medikament eingeführt wird und legt
> keinen Wert darauf, ob Nebenwirkungen auftreten *)).
> Wenn ich die Annahme *) unterstelle ist es aber doch
> besser, wenn die Nullhypothese p <=0,03 gewählt wird, denn
> dann wird das Medikament dann eingeführt, wenn im Test die
> Anzahl der Personen mit einer Nebenwirkung nicht deutlich
> schlechter als 3% sind.
> Wenn bei n = 1000 Personen genau 30 Personen
> Nebenwirkungen zeigen würden, würde die Nullhypothese
> bestätigt und das Medikament würde eingeführt.

>

> Fazit:
> Als Patient möchte ich nicht, dass bei 30 Nebenwirkungen
> das Medikament eingeführt wird.
> Der Konzern möchte jedoch, dass das Medikament (koste es
> was es wolle) eingeführt wird, und möchte bei 30
> Nebenwirkungen eine Einführung erreichen.

>

> Vielleicht unterscheidet meine Annahme *) (rein
> kapitalistische Sicht des Konzerns) die Sicht zwischen dem
> Übungsbuch und mir ?

Nicht nur. Da ist wie gesagt auch noch die Sache mit der Irrtumswahrscheinlichkeit. Wenn man die Frage einmal völlig ohne jeden moralischen bzw. auch nur sachlichen Hintergrund betrachtet, dann ermöglicht die Variante aus dem Schulbuch (die wie gesagt gängige Praxis ist) von vornherein das Wissen, mit welcher Wahrscheinlichkeit man sich irrt (bei dem was man vorhat zu tun). Andersherum müsste man nämlich die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler 2. Ordnung erst noch ausrechnen. Auf der anderen Seite (aber das ist jetzt nur meine persönliche Erfahrung aus dem Ingenieur-Bereich) ist es in der Realität oft so, dass man sich gar nicht so sehr dafür interessiert, mit welcher Wahrscheinlichkeit man richtig liegt sondern viel mehr dafür, mit welcher Wahrscheinlichkeit man einen Fehler begeht. Dann es geht ja bei solchen Tests doch sehr oft darum, ob eine Maßnahme vertretbar ist oder nicht.

Eine Ausnahme ist hier sicherlich die Teilchenphysik, wo man ja ein neu entdecktes Teilchen erst dann als Entdeckung gelten lässt, wenn man ein Konfidenzniveau sehr nahe bei 1 erreicht hat. Wie dann dort die Hypothesen gewählt werden, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.


Gruß, Diophant

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